Skibuchslalom

Skifahren kann mehr sein als einfach im Schnee kurven. Vier Bücher erzählen das auf ihre eigene Art.

«En mettant un peu plus d’angle, ma chaussure droite frotte la neige et m’envoie à terre, droit dans les décors. Un misérable ski intérieur que sonne le glas de mes espoirs, de ma carrière, de ma vie.»

Wem die Stunde bzw. die Sekunde schlägt: eine kleine Unaufmerksamkeit während des Skirennens, ein übler Sturz, noch einer, es ist nicht der erste. Und vorbei ist der Lauf, die Laufbahn, und auch das Leben? Nein, das dann doch nicht, aber die erhoffte, erträumte, angestrebte Karriere als Skirennfahrer, das muss der 17-jährige River nun an den berühmten Nagel hängen. Von nun kann er im TV zuschauen, wie es andere junge Talente schaffen, bis weit oben, vielleicht sogar so weit wie ein Marco Odermatt.

Sven Papaux, 1991 in Vevey geboren, war auf dem Weg zum erfolgreichen Schweizer Skisportler, als ihn eine Verletzung zum Abbruch dieser Laufbahn zwang. Nun arbeitet Papaux als Journalist. Seine Geschichte als hoffnungsvoller, dann am Boden zerstörter Skirennläufer hat er zum eindringlichen Roman „Au carrefour des intentions“ gestaltet. Sozusagen stellvertretend für alle, die so hart daran arbeiten, einmal schon nur die Abfahrten von Kitzbühel oder Cortina bestreiten zu dürfen, geschweige denn in die vorderen Ränge zu fahren, und die irgendwie gebremst werden, nicht nur durch einen Sturz. Ein erhellendes Buch über die Schattenseite des Spitzensports.

Er aber hat es geschafft, bis ganz oben: Giorgio Rocca, 1975 in Chur geboren (seine Mutter ist Schweizerin), aufgewachsen in Livigno, wo er immer noch lebt. Er gewann an Ski-WM drei Bronzemedaillen (zwei im Slalom, eine in der Kombination). In der Saison 2005/06 sicherte er sich den Sieg im Slalom-Weltcup. So heisst denn auch seine mit Thomas Ruberto verfasste Autobiografie: „Slalom. Vittorie e sconfitte tra le curve della mia vita“. Das erste Kapitel dieser Siege und Niederlagen beim Kurvenlauf des Lebens beginnt so: „Una montagna e un pendio innevato da affrontare con un paio di sci a piedi: non esiste luogo al mondo in cui mi trovi meglio. In fondo basta poco per farmi stare bene: quando scio, sono a mio agio ovunque.“ Wie wahr!

Wenn ich Ski fahre, fühle ich mich überall gut. Ein Feststellung, die Giorgio Daidola, Jahrgang 1943, sofort unterschreiben würde, allerdings mit dem Zusatz: Wenn ich mit Telemarkskis fahre. Von Gipfeln auf allen Kontinenten ist Giorgio mit seinen sci da telemark elegant hinab geschwungen. Und hat darüber zahlreiche Artikel und Bücher geschrieben. Sein jüngstes Werk behandelt die winterliche Dolomiten-Königin: „Marmolada bianca“. Allerdings scheinen die Hänge der Marmolada (3343 m) nicht mehr makellos weiss zu sein. Einerseits dreht an der Punta Rocca das übliche laute Seilbahn-Pisten-Karussell, am riesigen Nordhang unter der Punta Penia läuft aber nicht mehr viel, seit eine riesige Lawine das Rifugio Pian dei Fiacconi zerstört hat. Daidola plädiert für die Aufnahme eines einfachen Skitourismus, mit einer kleinen Sesselbahn und einem Berggasthaus, damit an der Marmolada nicht nur einsame Skitourenwölfe ihre Spuren ziehen. Wer die verschneite Regina delle Dolomiti besteigen möchte, findet bei Daidola alle Infos. Und das müsste man wohl einmal machen, mit oder ohne Telemarkskis.

Und wenn wir schon am Planen sind. Letzte Woche hätte ja wie üblich im Januar das WEF in Davos über die Bühne gehen sollen; nun findet es dort vom 22. bis 26. Mai 2022 statt – hoffentlich, mit Corona weiss man ja nie. Im Januar 2020 wählten vier Italiener eine ganz besondere Anreise nach Davos: von Chiareggio im Val Malenco auf der Südseite des Bernina-Massivs mit Tourenski über Pässe und Gipfel hinweg, an Hütten und Dörfern vorbei, bis ans WEF. Über diese skitouristisch-umweltpolitische Annäherung auf schmalen Brettern hat einer der Teilnehmer ein ungewöhnliches Skibuch verfasst: „Sciare in un mondo fragile. Quattro amici sul filo della crisi climatica“. Skitouren als Protest gegen die Mächtigen der Welt: eine schöne Idee.

Sven Papaux: Aux carrefour des intentions. Éditions Slatkine, Genève 2021, Fr. 28.-

Giorgio Rocca, Thomas Ruberto: Slalom. Vittorie e sconfitte tra le curve della mia vita. Ulrico Hoepli Editore, Milano 2021, € 19,90.

Giorgio Daidola: Marmolada bianca. Edizioni dal Faro, Trento 2021, € 15,00.

Marco Emanuele Tosi: Sciare in un mondo fragile. Quattro amici sul filo della crisi climatica. Monte Rosa Edizioni, Gignese 2021, € 19.90.

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