Skitouren Romandie, Aostatal und Alpen überhaupt

Vier neue Skitourenführer. Mal sehr steil, mal mehrtägig, mal vor allem italienisch, mal mehr französisch. Aber immer verlockend, wenn man einigermassen sicher auf den Brettern steht, die die Welt bedeuten.

«Die Tourenauswahl in diesem Buch ist letztlich rein subjektiv und soll einen Querschnitt über die Alpen bieten. Die ‹schönste› Tour ist im Zweifelsfalle meist die gerade erlebte Tour – oder die nächste auf der Bucket-List!
Die Freude am Aufstieg an einem sonnigen Tag. Das mühelose Gleiten im glitzernden Pulverschnee. Die alpine Herausforderung und das Risikomanagement machen für uns das Erlebnis Skialpinismus aus. Wir wünschen allen Lesern unvergessliche Stunden in den schönsten Steilhängen der Alpen.»

Recht hat er, der Marius Schwager, im Vorwort seines jüngsten Buches. Die Einschätzungen gelten natürlich auch für Skitouren, auf denen alpine Herausforderungen und Risikomanagement keine grosse Rolle spielen. Auf den Abfahrten, die er im Bildbandführer «45° – Skialpinismus. Steilwandklassiker der Alpen» präsentiert, tun sie das hingegen schon. Für Eiger-Westflanke, Matterhorn-Ostwand oder Fletschhorn-Nordwand, um drei der vierzehn steilen Abfahrten in den Schweizer Alpen zu nennen, braucht es mehr als sonniges Wetter und pulvrigen Schnee. Wer die skitechnischen und alpinistischen Fähigkeiten mitbringt, um in 45 bis 50 Grad steilem Gelände sicher zu kurven, wird in Schwagers Buch ein paar ganz grosse und stotzige Ziele zwischen Dachstein und Monte Argentera finden. Nur schade, dass die Legenden zu den oft schwindelerregenden Fotos meistens fehlen, wie auch die Routenlinien in den gezeichneten Gipfelansichten. Die technischen Angaben zu Steilheit, Schwierigkeit, Exposition etc. finden sich; wenn bekannt, ebenfalls die Namen der Erstbefahrer. Ein Name taucht am häufigsten auf: Heini Holzer. Der Südtiroler, der über 100 Steilabfahrten als Erster machte, kam am 4. Juli 1977 bei der Abfahrt durch die Nordostwand des Piz Roseg ums Leben. Der ins Buch aufgenommene Canale Holzer am Sass Pordoi «ist das klassische skialpinistische Couloir schlechthin».

Wir ziehen unsere Spuren weiterhin in Italien, nun aber in seinen Westalpen, genauer im Valle d’Aosta, dem Tal mit den höchsten (und schönsten?) Bergen der Alpen. Mit steilen Hängen ebenfalls, aber diesmal sollen es vor allem Skitouren sein, bei denen ein Sturz drinliegen darf. In der Nordost- bzw. Südostwand der Grivola, je beschrieben in «45°», wäre ein solcher ja fatal. Deborah Bionaz und Ilaria Sonatore stellen in «Scialpinismo in Valle d’Aosta» 101 Skitouren in diesem grossartigen Tal ennet der Schweiz vor. Mehrere Skiziele liegen auf der gemeinsamen Grenze, wie Tête Blanche de By, Tête du Filon oder Trauma des Boucs (3263 m). Wohl noch nie gehört, nicht wahr? Liegen alle in den Walliser Alpen, wie die Punta Zumstein und die Punta Gnifetti, Nummer drei und vier der höchsten Gipfel der Schweiz; Tour 57 besucht gleich beide.

Die Walliser Alpen erheben sich bekanntlich südlich der Rhone. Die Gipfel nördlich von ihr gehören zu den Berner und Waadtländer Alpen. Stephanie Heiduk (Text) und Udo Laber (Fotos) haben in «Skitourenerlebnis Schweiz. 24 Mehrtagestouren und über 100 Gipfel» die Zweitagestour von Anzère über das Wildhorn in die Lenk auch zu den Walliser Alpen gezählt. Aber wir lassen uns durch diese falsche Einordnung nicht stören. Und geniessen vom Sex Rouge die Aussicht auf Walliser Alpen gegenüber. Das Autorenduo stellt je drei mehrtägige Skitourenfahrten in diesen Alpen und im Tessin, je vier in den Glarner Alpen und in der Zentralschweiz und je fünf in den Berner und Bündner Alpen vor. Die längste führt über 78 Kilometer aus dem Puschlav ins Oberengadin. Nur gerade ein Vorschlag ist blau eingestuft, drei Tourenrunden haben die Schwierigkeit rot, der Rest ist schwarz.

Schwarz ist definitiv ebenfalls Route 37 auf den Combin de Grafeneire (4313 m) im Führer «Les Alpes de la Romandie. 150 randonnées à ski magnifiques». Georges Sanga beschreibt mit allem Drum und Dran 19 Touren in den Freiburger, 31 in den Waadtländer und 7 in den Berner Alpen sowie 65 in den Bergen links der Rhone, also im Chablais, im Montblanc-Massiv und in den Walliser Alpen, immer mit Fotos, auf denen die Routen eingezeichnet sind. Dem oben erwähnten Sex Rouge oberhalb von Anzère gab Sanga das Prädikat «Super Choix». Worauf warten wir noch? En route, mes amis!

Marius Schwager: 45° Skialpinismus. Steilwandklassiker der Alpen. Die 45 schönsten steilen Abfahrten der Alpen. Verlag Mountain Moments, Reilingen 2024. € 39,00. www.mountainmoments.de

Deborah Bionaz, Ilaria Sonatore: Scialpinismo in Valle d’Aosta. 101 itinerari: dai super classici ai più ricercati. Versante Sud Edizioni, Milano 2024. € 37,00. Auch in einer englischen Übersetzung erhältlich: Ski Mountaineering in the Aosta Valley. 101 itineraries: from the super classics to the most sought after.

Stephanie Heiduk (Text), Udo Laber (Fotos und GPS-Tracks): Skitourenerlebnis Schweiz. 24 Mehrtagestouren und über 100 Gipfel. Bergverlag Rother, München 2025. Fr. 41.90.

Georges Sanga: Les Alpes de la Romandie. 150 randonnées à ski magnifiques. Weber Verlag, Thoune/Gwatt 2024. Fr. 59.-, SAC-Mitglieder 49.-

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