Wieviel doch in einen frühen Morgen und einen Vormittag passt! Eine Anreise, ein Aufstieg und eine ganze Menge Eindrücke. Und schliesslich das Gefühl, frei zu sein wie eine Vogel
Meine Fahrt von St. Gallen in die Berge vergeht, während die Dämmerung zum Tag wird. Beim ersten Licht fahre ich aus der Stadt, fallend gegen Nordost, bis vor mir die Fläche des Sees auftaucht, silbrig-grau und rau unter einem fernen Hellrot am hohen Himmel. Weiter fallend nähere ich mich der Seefläche, bis sie den Blicken entschwindet, weil die Ebene erreicht ist. Bald biegt dann die Autobahn um die äussersten Rippen der Berge herum, scharf nach Süden ins Rheintal und hinein ins Gebirge. Dort drinnen im Schatten verlasse ich den Boden auf der kleinen Strasse den Grabserberg hinauf. Im Osten stehen die Gratreihen hoch über mir wie scharf gezeichnete Risse vor der Sonne, die noch nicht heraufgestiegen ist, sondern den Schatten des Hohen Freschens in den Himmel projiziert. Eine Kehre weiter oben aber ist sie da, glutrot, und die wilden unregelmässigen Zacken, die dunklen, die gerade eben noch den Horizont beherrschten, fallen nun ins fast Unsichtbare, ins Kleine hinab.
In der Morgenkühle steige ich wenig später raschen Schrittes bergauf, umgeben vom Glockengeläut der Kühe, das die Hochtäler oberhalb der Voralp schon jetzt erfüllt. Erst ganz oben an den Graten, wo jäh das Seeztal sich auftut, tief unten, mit dem See darin, dem anderen, dem taghellen, grün-blauen, mit den Spuren darauf, entlang derer die Schiffe ihn teilten, Narben die sich langsam schliessen, erst dort oben ist es wirklich still. Jetzt wo die Sonne hoch steht, höher noch als ich, setze ich behutsam Fuss vor Fuss über den Grat, berauscht vom Gefühl des Mauerlaufens, des Schreitens auf blumengesterntem Hochseil, und von der stillen Exponiertheit. Weit draussen im Luftraum, im Flug.