Die Sportklettergebiete des Berner Oberlands in Wort und Bild, ihre Erschliessungsgeschichte, die Porträts der Erschliesser, die Geschichte des Sportkletterns. Verfasst vom grossen Meister himself.
„Noch eine Steilstufe baute sich vor mir auf, dann wurde es über den Wipfeln der Tannen heller. Grauer Fels schimmerte durchs Geäst. Meine Spannung stieg. Viele Male war ich zu abgelegenen Felsen hochgestiegen, die aus der Ferne verheissungsvoll ausgesehen hatten. Und war dann jeweils enttäuscht wieder abgezogen, wenn brüchiger Fels, grasige oder strukturlose Zonen eine Erschliessung nicht zuliessen. Was würde ich dieses Mal entdecken? Während des ganzen Winters war das Bild dieser Wand immer wieder vor meinen Augen aufgetaucht.
Unversehens stieg ich schneller und erreichte ausser Atem ein waagrechtes, drei Meter breites, staubtrockenes Band unter der senkrechten Wand. Die Felsqualität überstieg meine kühnsten Erwartungen: bombenfestes Gestein, rau und strukturiert mit Leisten und Löchern! Weiter drüben ein faustbreiter Riss in gelblich getöntem Fels, gefolgt von einer senkrechten Bilderbuchverschneidung. Rechts davon ein paar schräg übereinander liegende Dachzonen, alles in perfektem Gestein. Und kein Mensch war je hier gewesen. Auf dem Band unter einer geschützten Balme hatten Gemsen gelegen, Kot und fest gepresste Erde waren die eindeutigen Zeugen. Wie im Fieber hastete ich nach rechts um eine Ecke, voller Erwartung. Ein grottenartiger Gewaltsüberhang aus gelbem, durchlöchertem Fels zog bauchig nach draussen. Das wird ein athletischer Sektor! Dahinter legte sich die Wand zurück, es folgte eine plattige Zone mit schmalen Querrissen in wasserzerfressenem Fels. Wahrlich, ich hatte meine Traumwand gefunden.“
Hans Grossen fand mehr als nur diese (fiktive) Traumwand. Der 1944 geborene Frutiger Bergsteiger hat in seiner alpinistischen Karriere schier unzählige Wände erschlossen, im Sportklettergebiet Gehrenen vor seiner Haustüre so gut wie an hochalpinen Türmen der südlichen Berner Alpen. Und noch immer bewegt sich Hannes in der vertikalen Welt elegant und sicher fort – der Meister halt.
Nun hat sich Hans Grossen einen weiteren Traum erfüllt und sein neues Buch geschrieben: „Sportklettern Berner Oberland“. Darin präsentiert er 71 Sportklettergebiete in Wort und Bild, erzählt die Erschliessungsgeschichte, bringt Hintergrundberichte und wichtige Infos, porträtiert 29 bedeutende Erschliesser und Sportkletterer, von Daniel H. Anker (Lehrer, Bergführer und Erstbegeher, zum Beispiel von vier neuen Routen in der Eigernordwand) über Jürg von Känel, Kaspar und Ruth Ochsner bis zu Ueli Steck und Hermann Steuri. Im Anhang findet sich zudem eine kompakte allgemeine Geschichte des Sportkletterns. Ein sehr schön gemachtes, mit einigen alten und vielen aktuellen Fotos illustriertes Werk.
Ich darf das schon sagen, obwohl ich ziemlich befangen bin. Denn erstens habe ich das Fachlektorat für „Sportklettern Berner Oberland“ gemacht. Und zweitens – nun ja, dank Hannes kam ich überhaupt zum Schreiben von Büchern. Oberleutnant Grossen fragte im Sommergebirgskurs Anfang September 1986 auf der Furka oben Büroordonnanz Anker, ob er nicht mithelfen würde, den Bildbandführer „Die 100 schönsten Skitouren im Berner Oberland“ zu verfassen. Das Buch kam im Frühling 1990 in Paris auf Französisch heraus.
Hans Grossen: Sportklettern Berner Oberland. Edition Filidor, Reichenbach 2010, Fr. 68.- Zu bestellen bei www.filidor.ch