Zweimal Bildgeschichte für die Weihnachtstische.
«Als wir Ende 2005 in unserem Haus in Punt Muragl Weihnachten feierten, war mein Vater zweiundneunzig Jahre alt; meine Mutter war im gleichen Jahr achtzig geworden. Eva und ich schenkten meinen Eltern eine Fotografie von Albert Steiner. Diese Aufnahme berührt ihr Leben auf verschiedene Weise, und auch meines – doch ihnen mag dies im ersten Moment kaum aufgefallen sein.»
So beginnt ein Buch, das ursprünglich gar kein Buch sein wollte oder sollte. Der Architekt Marcel Meili (1953–2019) legt in „Steiners Postauto. Eine Bildgeschichte“ dar, warum er zusammen mit seiner Frau, der Künstlerin und Kuratorin Eva Afuhs (1954–2011), den gerahmten Fotoabzug „Postauto ob Silvaplana“ des berühmten, aus Frutigen stammenden und dann im Engadin wirkenden Fotografen Albert Steiner (1877–1965) seinem Vater 2005 zu Weihnachten schenkte. Was zuerst bloss eine Erklärung war, wuchs mit der Zeit zu einem Werk heran, das weit über das Foto mit dem Postauto-Cabriolet auf der Julierpassstrasse hinausfährt. Am 13. August 2006 vollendete Meili den Text, am Tag, als sein Vater starb. 2007 erschien „Steiners Postauto“ zum ersten Mal, als Privatdruck von 30 Exemplaren, illustriert mit rund 200 Abbildungen, die Meili auf seiner überraschenden Fahrt durch die Foto-, Tourismus-, Infrastruktur-, Technik-, Kunst- und Engadingeschichte gesammelt hat. 2013 kam eine zweite Auflage von 20 Exemplaren heraus. Nun liegen diese hochspannenden, weit über das Familiäre herausragenden Ausführungen zu einem auf den ersten Blick braven Weihnachtsgeschenk in einer gediegenen Ausgabe bei Scheidegger & Spiess vor. Tatsächlich „ein assoziationsreiches Lesevergnügen“, wie die Buchbanderole verspricht. Nur ein kleiner Wachsflecken sei vermerkt: Die wirklich klug und überraschend ausgewählten Abbildungen hätte man durchaus etwas grösser zeigen dürfen.
Und wenn wir schon grad mit Fotos von Berner Fotografen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterwegs sind. Emanuel Gyger (1886–1951) und Arnold Klopfenstein (1896–1961) aus Adelboden gehören zu den bekanntesten Berg- und Skifotografen ihrer Zeit. Vor allem ihre schwarzweissen Skibilder mit den schwarz gekleideten Sportlern im unverspurten weissen Untergrund, eine Wolke aus Pulverschnee im Gegenlicht herziehend, gehören zu den Ikonen der Fotografie. Nicht zuletzt deshalb, weil viele der Fotos als Postkarten Verbreitung fanden. Der von Daniel Müller-Jentsch herausgegebene Bildband „Emanuel Gyger & Arnold Klopfenstein: Pioniere der Skifotografie“ zeigt 153 Fotos sowie Tourismusbroschüren von 1933/34. Auf fast allen Fotos leuchtet der Schnee, so auch auf den drei Fotos, welche die Busse zwischen Adelboden und Geils am Hahnenmoospass festhalten. Steiner hat solche Fahrzeuge ebenfalls im Wintereinsatz fotografiert. Aber was heisst da Winter? Abbildung 179 zeigt ein Postauto mit offenem Deck zwischen meterhohen Schneemauern auf dem Julierpass im Sommer. Genau: Ab morgen werden die Tage wieder länger. Frohe Weihnachten, mit oder ohne Schnee!
Marcel Meili: Steiners Postauto. Eine Bildgeschichte. Scheidegger & Spiess, Zürich 2020, Fr. 39.-
Emanuel Gyger & Arnold Klopfenstein: Pioniere der Skifotografie. Herausgegeben von Daniel Müller-Jentsch. Regenbrecht Verlag, Berlin 2020, € 30.-