Sumpftouren

Saufen war einst auch bei Bergsteigern Trend – nicht nur bei Literaten und im Emmental. Die heutige hoch-abstinente und gesundbetende Generation folgt den Altalkoholikern brav auf literarischen Wandertouren, beschrieben im einschlägigen Führerwerk. Oder kontempliert in Glarner Villengärten, wie einst die betuchten Fabrikanten, während sich ihre Büezer in den Fabriken zu Tode soffen.

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„Prost!“

Ein kurzes Einstiegszitat, zugegeben. Aber viel mehr muss auch nicht gesagt werden beim Anstossen. Der Hinweg ist geschafft, der Tisch war frei, der Durst ist gross, das Glas noch voll – also: „Gsundheit!“ Der erste Schluck: wunderbar. Der zweite: auch. Nach dem dritten nehmen wir das Büchlein zur Hand, das erst seit ein paar Tagen auf dem Verkaufstisch liegt: „Sumpftouren. Alkohol und Kultur im Emmental“ von Frank Gerber (Texte) und Verena Zürcher (Fotos). „Eine Art Beizenführer“ heisst das handliche Werk im zweiten Untertitel; es ist auch eine Art Wanderführer. Denn wie sollte man die Beizen aufsuchen, um dort den Durst zu löschen, ja vielleicht gar einen Schluck über den Durst zu trinken? Zu Fuss natürlich.

Und so heissen die süffigen Destinationen: Bar zum Chüele Fass in Schafhausen. Wirtschaft Kuttelbad. Gasthof Rosegg. Alpwirtschaft Niederenzi. Hornbach-Pinte in Wasen. Tannenbad in Weier. Bären hier und Bären dort. Geschichten überall. Mit dabei fast immer: der Albert alias Jeremias. Obwohl er ja nicht sonderlich Freude an seinen saufenden Landsleuten hatte. Das zeigt allein der Titel seiner 1838 erstmals publizierten Erzählung: „Wie fünf Mädchen im Branntwein jämmerlich umkommen“. Gotthelf also. Simon Gfeller. Carl Albert Loosli. E.Y. Meyer. Sie alle sind dabei auf den Gerberschen Sumpftouren im Emmental. Denn es geht eben nicht nur um den Besuch uriger Kneipen im Hogerland zwischen Burgdorf und Napf, sondern auch um Literatur aus diesem Land voller Grate und Gräben. „In der rechten Hand ein Glas, in der linken ein Truber-Buch, und vor uns die grandiose Aussicht.“ Liest sich verlockend. Wer noch einen echten Wanderführer mitnehmen möchte, dem oder der sei mein Rother Wanderführer „Emmental“ empfohlen.

Gleich noch eine Empfehlung wage ich hier abzugeben. Am Wochenende vom 10./11. September 2016 finden die europäischen Tage des Denkmals statt, diesmal unter dem Stichwort „Oasen“. Genau das ist auch doch das Kuttelbad, das Tannenbad… Selbstverständlich ebenfalls die offiziellen Oasen, die historischen Gärten in Burgdorf und der malerische Park von Schloss Landshut in Utzenstorf, um an der Emme zu bleiben. Und wenn wir schon bei Gärten sind. 2016 ist das Gartenjahr, wofür der Schweizer Heimatschutz die hübsche Broschüre „Gärten und Parks der Schweiz“ geschaffen hat. Am kommenden Sonntag beispielsweise können in Schwanden drei private Villengärten besichtigt werden, „eigentliche Perlen in den Glarner Bergen“, wie es heisst. Darauf wollen wir anstossen, mit dem Witbier „Vrenelisgärtli“ der Brauerei Adler in Schwanden.

Frank Gerber (Texte), Verena Zürcher (Fotos): Sumpftouren. Alkohol und Kultur im Emmental. Landverlag, Langnau 2016, Fr. 22.90; www.landverlag.ch

Europäische Tage des Denkmals: Oasen. 10./11. September 2016; www.hereinzspaziert.ch

Gärten und Parks der Schweiz; www.heimatschutz.ch/gartenjahr

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