Tessiner Sommer

Baden und lesen im Ticino. Perfetto. Mit diesen Büchern erst recht.

„Wir verliessen die Strasse nach Muggio und betraten einen Fusssteig, der uns über den wasserarmen Bach führte, der dem kleinen Val Luasca entrieselt und vor seiner Vereinigung mit der Breggia einige schöne Wasserbecken bildet, die zum Bade einladen.»

Der erfrischenden Einladung konnten Johann Jakob Weilenmann und sein Mitwanderer im August 1857 nicht Folge leisten, weil sie noch eine Schlafgelegenheit in einem der Dörfer des hinteren Valle di Muggio suchen mussten, um anderntags den Monte Generoso zu besteigen. Dieser frühe Hinweis auf die Bademöglichkeit in einem Tessiner Gewässer findet sich in Weilenmanns Bericht „Der Monte Generoso bei Lugano“, abgedruckt im ersten Band der „Berg- und Gletscher-Fahrten in den Hochalpen der Schweiz“, die Gottlieb Studer, Melchior Ulrich und Weilenmann 1859 herausgaben.

Entzückt wäre Weilenmann über den Führer, der genau das enthält, worin er sich oft erfrischt hat: „Wild und frisch – Tessin. Die schönsten Badeplätze an Seen, Flüssen und Wasserfällen“. Iwona Eberle (Text) und Christoph Hurni (Fotos) stellen verlässlich und verlockend 120 Badeplätze vor, vom Lago di Tom oben im Sopraceneri bis zu den Gole della Breggia ganz unten im Sottoceneri. Immer mit wichtigen Hinweisen zu Liegeflächen, Schwimmmöglichkeiten, Wassertemperaturen und Sonnenzeitfenster im Juli und August, zur Anreise und zum Zugang, mit Kärtchen und mit Koordinaten. Alle Plätze sind in höchstens einer Stunde zu Fuss ab ÖV-Haltestelle oder Parkplatz erreichbar. Deshalb sind auch einige bekannte Badeseen, wie der Lago d’Alzasca, im Führer nicht beschrieben. Es gibt genügend andere, an denen wir jetzt wohl nicht mehr ganz alleine sein werden. Denn die Wasserbecken, die uns Iwona und Christoph präsentieren, laden unbedingt zum Baden ein. Zum Sonnenbaden ebenfalls.

Und was machen wir, wenn wir auf den glattpolierten Gneisfelsen liegen? Lesen natürlich. Zum Beispiel den Krimi „Tessiner Verwicklungen. Der erste Fall für Tschopp & Bianchi“ von Sandra Hughes. Die Basler Polizistin Emma Tschopp weilt mit ihrem Campingbus im Tessin, ferienhalber. Aber eine Tote in der Pastamanufaktur Savelli in Meride am Fusse des Saurierberges Monte San Giorgio im Südtessin macht einen Strich durch die Urlaubspläne. Zusammen mit Commissario Bianchi löst sie den tragischen und verzwickten Fall. Am Schluss sitzen die beiden in einem Grotto am Lago di Lugano und rollen den Fall – für sich und für uns – auf. Nun sind wir gespannt, ob und wie es weitergeht mit Emma und Marco.

Bestens in den Baderucksack passt das von René P. Moor herausgegebene und mit Anmerkungen versehene Buch „Alpensüdseiten. Reiseberichte aus dem Tessin“. Von Otto Julius Bierbaum und Frederike Brun über Erich Mühsam und Gottlieb Studer bis Josef Viktor Widmann und Heinrich Zschokke: fünfzehn vor allem ältere Texte schildern uns den gebirgigen Kanton, Schritt für Schritt eine Welt offenbarend, die oft genug bachab gegangen ist. Apropos Bach: Weilenmann – sein Generoso-Bericht ist auch abgedruckt – kommt dann doch noch zum Bad, nachdem er erfahren hat, dass in Scudellate ein Nachtquartier zu finden sei: „Hierüber beruhigt, konnte ich der Versuchung, in eines der Wasserbecken zu tauchen, nicht länger widerstehen. (…) Das Wasser war kühler, als sich erwarten liess.“

Iwona Eberle (Text), Christoph Hurni (Fotos): Wild und frisch – Tessin. Die schönsten Badeplätze an Seen, Flüssen und Wasserfällen. Salamander Verlag, Zürich 2020, Fr. 40. www.salamanderverlag.ch

Sandra Hughes: Tessiner Verwicklungen. Der erste Fall für Tschopp & Bianchi. Kampa Verlag, Zürich 2020, Fr. 19.90. www.kampaverlag.ch

René P. Moor (Hrsg.): Alpensüdseiten. Reiseberichte aus dem Tessin. Edition Wanderwerk, Burgistein 2019. Fr. 19.80. www.wanderwerk.ch

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