Tessin abseits von Lido und Autobahn: Drei Bücher führen auf steile Pfade. Zum Beispiel ins Val Bavona, wo Giuseppe Zan Zanini einst mit seiner Kuhherde auf T5-Pfaden kletterte.
IO GIUSEPPE ZAN ZANINI
DI CAVEG · FECE LA STRADA
PER PASARE LE BESTIE BOVINE
FINO SU LALPE LANO 1833 +
Eine in Gneis gemeisselte Inschrift am Beginn eines Weges im Val Bavona, der wohl zu den aussergewöhnlichsten der Schweiz zählt: „Ich, Giuseppe Zan Zanini von Cavergno, machte diesen Weg, um dem Rindvieh den Aufstieg bis auf die Alp zu ermöglichen, im Jahre 1833.“ Über den Erbauer und den Weg ist nun ein Buch von Giuseppe Brenna erschienen, dem besten Kenner der Tessiner Alpen (wovon fünf SAC-Führer zeugen). Einfach genial und unglaublich, wie dieser längst verstorbene Giuseppe mit aufwändigen Treppen und kluger Weganlage ein schier senkrechtes Tobel, das Valle di Foiòi, erschloss. Folgen wir dem immer noch begehbaren Weg, so kommt Bewunderung für den Erbauer auf – aber auch für die Kühe; immerhin wird der Weg mit T5 bewertet, was anspruchsvolles Alpinwandern bedeutet. Allerdings überlebte nicht jedes Rindvieh den vertikalen Weidegang; 29 Kühe stürzten dem Bergbauer zu Tode. Drei Ehefrauen verlor Zan Zanini ebenfalls. Auch wer kein Italienisch versteht, kann Brennas Buch zu Hand nehmen und mit ihm zur Corte di Cima im Valle di Foiòi vorstossen. Oder doch wenigstens zur Hütte von Terasc; perfekt, wie die Hütte an eine riesige, leicht überhängende Felswand gebaut wurde.
„Val Bavona, die Grenzen der Besiedlung“: So überschreiben Marco Volken und Remo Kundert ein Kapitel in ihrem jüngsten Gemeinschaftswerk, welches 45 Wanderungen zwischen Gotthard und Chiasso vorstellt. Aber wie vorstellt: Nicht ein weiteres Tessin(wander)buch voll stiller Grotti, fröhlicher Sonnenstubenseligkeit und rotweissgestreifter Wanderlust. Sondern hintergründig, überraschend, auf neue Pflanzen hinweisend, auf alte Kultur zurückgreifend, wirklich ein Ticino abseits von Lido und Autobahn, doch diese Strassen auch nicht verleugnend. Kluge Texte, starke Fotos. Einziger Nachteil: Zum Mittragen ist das Lese-Bilder-Buch vielleicht etwas zu schwer und zu sperrig. Doch „Bergwandern im Tessin“ von Volken & Kundert ist ja auch viel mehr als ein simpler Bergwanderführer.
In jedem Rucksack, ja fast in jeder Handtasche hat dafür „Tessin über Stock und Stein“ von Hannes Stricker Platz. Ein selbst gefertigtes Wanderbuch: von Hand geschrieben, gezeichnet, gemalt, gestaltet. Liebevoll, detailliert, so ganz anders als üblich. Nicht für das oberflächliche Abhaken von Trails gedacht, sondern zum Eintauchen in das Büchlein und dann in die Landschaft, oder auch gleichzeitig. Will man freilich Wegen wie demjenigen von Giuseppe Zan Zanini nachgehen, so empfiehlt es sich, entweder auf die Buchseite – oder auf den Bergpfad zu schauen. Damit der nächste Schritt nicht plötzlich der letzte wird.
Giuseppe Brenna: Giuseppe Zan Zanini e la Valle di Foiòi. Salvioni Edizioni, Bellinzona 2010, Fr. 38.–
Marco Volken, Remo Kundert: Bergwandern im Tessin. AT Verlag, Aarau 2010, Fr. 49.90
Hannes Stricker: Tessin über Stock und Stein. Verlag am Bach, Kesswil 2010, verlagambach@gmail.com, Fr. 14.-