Tim, Struppi und Käpt’n Haddock in Tibet, ein Berg-Comic, meisterhaft gezeichnet von Hergé. Vor 50 Jahren zum ersten Mal erschienen.
«La montagne, comme paysage, ça ne me dérange pas trop… Mais s’obstiner à grimper sur des tas de cailloux, ça, ça me dépasse!… D’autant plus qu’il faut toujours finir par redescendre. Alors, à quoi ça sert, je vous le demande… Sans compter qu’on risque toujours de se rompre les os!»
Das fragt sich – eigentlich zu Recht, oder? – Captain Haddock zu Beginn eines Buches, das vor 50 Jahren zum ersten Mal erschien und das auch ein wunderbares Bergbuch ist. Nur wurde es als solches kaum wahrgenommen, obwohl es Jacques Perret in seinen „Guide des livres sur la montagne et l’alpinisme“ aufgenommen hat (im Gegensatz etwa zu „Heidi“). Das Buch heisst „Tintin au Tibet“, geschaffen vom belgischen Comicautor und -zeichner Georges Remi alias Hergé (1907-1983). Sein bekanntestes und umfangreichstes Werk sind „Les aventures de Tintin“, auf Deutsch „Die Abenteuer von Tim und Struppi“. „Tintin au Tibet“ ist der 20. Band.
Darin machen Tintin et Milou (so der Originalname des härzigen Hundes) Sommerferien im „Hôtel des Sommets“, die Haddock beim Zeitungslesen auf dem Balkon verbringt (von dort muss man ja auch höchstens in den Speisesaal absteigen…). Schon bald verschlägt es das Trio jedoch nach Nepal, weil dort Tims Freund Tschang bei einem Flugzeugabsturz verunglückt ist, aber wahrscheinlich noch lebt, wie Tim glaubt. Und so geht es eben, unterstützt von Sherpas, auf Suchexpedition in den Himalaya. Haddock macht ziemlich widerwillig mit und ist nur mit Whisky und Cognac zu überzeugen, lawinengefährliche Hänge, spaltenreiche Gletscher und brüchige Felsen zu begehen. Allerdings macht ihm der Yeti genau dieses Getränk streitig; der Abominable Homme-des-Neiges hatte Ende der 1950er Jahre die Phantasie der Menschen erhitzt. Hergé verpackte noch mehr Zeitgeschichte in seinen Berg-Comic: 1959 war der Dalai Lama, das politische und religiöse Oberhaupt Tibets, wegen der Annexion durch China nach Indien ins Exil gegangen.
Die alpinistischen Abenteuer von Tim &. Co. sind meisterhaft gezeichnet, beim Schneesturm friert und ängstigt sich man mit, die Spaltenbergung sieht wie in einem Lehrbuch aus, wenigstens bis Haddock einfach das Seil loslässt…. Apropos Seil: Es ist ein Nylonseil, das damals gerade die Markeinführung erlebte. An einem solchen klettert der Captain, schultergesichert von Tintin, eine steile Felswand hoch, und kurz bevor ihm ein Griff ausbricht, fragt er sich: «Et dire qu’il y a des gens qui font ça par plaisir!…»
Hergé: Tintin au Tibet. Castermann, 1960. Auf Deutsch: Tim in Tibet; auf Berndeutsch: Täntän z Tibet.
Michael Farr: Auf den Spuren von Tim & Struppi. Carlsen Verlag 2006.