Tour du vélo

Die Tour de France rollt seit einer Woche. Wir radeln ebenfalls, mit neuen Velobüchern und der Ausstellung „Vélo. Équilibres en mouvement“ in Genf, zu der ein rassiger Katalog erschienen ist.

«Gehen Sie da weg, mein Gott! Sie kommen, sie kommen!»

Mon Dieu, wer kommt denn da? Mit dieser Warnung beginnt ein Text im Buch „I love my bike. Geschichten vom Fahrradfahren“; Marion Hertle hat sie ausgewählt. Zum Beispiel eben diese von Gabrielle-Sidonie Colette: „Das Ende einer Tour de France.“ Seit einer Woche kommen sie wieder, die Radrennfahrer, die die grösste Radsportveranstaltung bestreiten. Vor unzähligen Zuschauern, denen immer wieder zugerufen werden muss: „Gehen Sie da weg!“ Die 111. Tour de France dauert noch bis zum 21. Juli 2024, und sie endet zum ersten Mal nicht in Paris (Olympiade!), sondern in Nizza. Die Geschichte von Colette ist nur eine von lesenswerten im Diogenes Taschenbuch. Um den Etappensieg fährt sicher Jean-Jacques Sempé mit „Das Geheimnis des Fahrradhändlers“. Auf jeden Fall die perfekte Reiselektüre, wenn wir nach Genf fahren.

Warum nach Genf – und nicht nach Troyes, wo die Etappe vom Sonntag, 7.7., startet und endet? Ganz einfach, weil im Musée Rath die grosse Ausstellung „Vélo. Équilibres en mouvement“ zu sehen ist. Über seine scheinbare Einfachheit hinaus erweist sich das Velo als eine revolutionäre Erfindung. Von seinen Anfängen im 19. Jahrhundert bis zu seinen gesellschaftlichen Auswirkungen und den technischen Innovationen von heute lässt sich dieses symbolträchtige Gefährt als Transportmittel, aber auch als Quelle der Inspiration, der Freiheit und des Abenteuers wiederentdecken. Als Ärgernis ebenfalls: „Anfangs waren Velos auf der Strasse in Genf ja schlicht verboten. Die Koexistenz mit andern Verkehrsmitteln ist seit dem Beginn des Velofahrens ein Dauerthema“, sagt Laurence-Isaline Stahl Gretsch, Kuratorin der Ausstellung, in einem Interview mit „Pro Velo Magazin“. Anhand von rund 100 Sammlerfahrrädern wird in Genf eine fesselnde Geschichte erzählt, und interaktive Geräte ermöglichen es, die Geheimnisse des Velos zu ergründen. Zudem ist zur Ausstellung ein gewichtiger Katalog erschienen; ihn zu studieren oder gar ganz zu lesen, dafür reicht die Rückfahrt von Genf mit dem Zug nicht.

Oder sind wir gar mit Velo an den Genfersee gefahren. Tant mieux! Wer gerne so unterwegs ist, kann zu zwei neuen Führern greifen. „Le Valais à vélo“ von Nicolas Richoz ist ein Bildbandführer, den man nur zuhause studieren kann: 25,5 x 30,5 cm gross, 463 Seiten dick und 2,7 kg schwer, also mehr als doppelt so schwer wie ein Rennradrahmen. Doch das Buch von Richoz besticht ja vor allem durch seine Fotos, oft aufgenommen aus der Luft. Aber wir bleiben am Boden, genauer auf der Strasse, und können so die 31 Touren hautnah miterleben, vom Lac Léman bis hinauf zu Grimsel, Furka und Nufenen. Die Infos dazu lassen sich zum Glück scannen, so dass man leicht unterwegs sein kann bei all den Anstiegen. Denn flach ist das Wallis ja nur im Rhonetal, und dort sind die Strassen zur Zeit wegen der schlimmen Unwettern vom letzten Wochenende schlecht passierbar.

Besser ist es deshalb, erst im herbstlichen Wallis zu pedalen. Und in diesem Sommer mal die erste Hälfte der Tour de Suisse anzufahren, die Rainer Bühler und Roland Tännler „Gravelpacking Schweiz“ vorschlagen, nämlich von Lausanne durch den Jura nach Solothurn, weiter durchs Mittelland nach Thun und dann über die Voralpen nach Einsiedeln und Appenzell bis Chur. Nur: Was heisst Gravelpacking? Das leitet sich ab von Gravelbike, dem geländetauglichen Rennrad – und Trendsportgerät für Kies- und Waldwege. Abseits befestigter Strassen fahren Bühler & Tännler mit Freunden und wenig Gepäck in 20 Etappen durch die Schweiz. Wir sind dabei. Im Gepäck „I love my bike“. Vielleicht auch noch „Globi an der Tour de Suisse“. Am fünften Tag fragt sich Globi, im Peloton mitfahrend: „Warum pedalen die jetzt schon so schnell?“

Marion Hertle (Hg.): I love my bike. Geschichten vom Fahrradfahren. Diogenes Verlag, Zürich 2024. Fr. 19.-
Vélo. Équilibres en mouvement. Éditions Favre, Lausanne 2024. Fr. 25.- Die gleichnamige Ausstellung im Musée Rath in Genève dauert bis am 13. Oktober 2024, Di bis So, 10 bis 18 Uhr. www.mahmah.ch/expositions/velo
Nicolas Richoz: Le Valais à vélo. Éditions Slatkine, Genève 2023. Fr. 65.-
Rainer Bühler, Roland Tännler: Gravelpacking Schweiz. Vorwort von Max Küng.Weber Verlag, Thun 2024. Fr. 39.-
Heiri Schmid: Globi an der Tour de Suisse. Globi Verlag, Zürich 2024. Fr. 26.90.

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