Trekking Träume

Trekking hat offenbar viel mit träumen zu tun, glaubt man den Titeln der neuesten Trekkingbücher. Also lesen und träumen und vielleicht sogar mal trekken oder – wie man früher sagte – wandern.

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„Dhío frappé bestellten wir, zwei eiskühle Kaffees im Glas, sitzend vor einem Kafeníon auf der Dorfstrasse von Komitádes, im Schatten gegenüber einem weissen, grell leuchtenden Haus mit dem Schild ‚Rooms for rent‘. Die Imbros-Schlucht waren wir heruntergekommen, ganz alleine mit ein paar Eidechsen auf den Felsen. An der engsten Stelle konnten wir beide Schluchtwände mit ausgetreckten Armen berühren, und oben war vom kretischen Himmel nur noch ein Streifen zu erhaschen. Und dann weitete sich die Schlucht, und ein anderes Blau wurde sichtbar: das libysche Meer, das die Südküste Kretas umspült. Die Imbros-Schlucht war hier früher der einzige Weg an die Nordküste gewesen. Nun schraubt sich vom Dorf Imbros eine steile Strasse über die kahlen Hänge herab, in ausgesetzten Kehren, so dass die Busreisenden bleich werden. Auch von Plakias führt, der Küste entlang, eine holprige Strasse hierher, in die Region Sfakiá, der wildesten von Kreta. In den Plakias-Bus stiegen wir, als einzige Passagiere. Und wie der Fahrer über die steinigen Hänge gegen Chóra Sfakíon hinabkurvt, lässt er aus dem Lautsprecher plötzlich griechische Musik ertönen. Lyraklänge und Motorenlärm unter flimmernder Nachmittagssonne, und hoch oben, fast unwirklich hell und doch ganz klar gegen den blauen Himmel, die Weissen Berge. Dort, wo die Lékfa Ori ins Meer tauchen, wollen wir wandern und baden, eine Woche lang westwärts, an dieser Schnittstelle zwischen waagrechter Bewegtheit und horizontaler Strenge. Meer und Berge. Wasser und Fels. Kreta pur.“
Die Sommerferien sind vorbei, doch wenn man solche Sätze liest, freut man sich auf die nächsten. Mir jedenfalls erging es so, als ich diesen Text las. Dabei sollte ich ihn kennen, erschien er doch im „Wanderspezial“ der Zeitschrift „Bergsteiger“ im Jahre 1991. Lang ist’s her, dass meine Frau Eva Feller und ich entlang der Südküste von Kreta gewandert sind. Wir gingen nicht jeden Meter zu Fuss, am ersten Tag nahm uns der Bus von Komitádes hinab ans Meer. Und die 15 Kilometer lange, fürchterlich zerklüftete und damals noch weitgehend weglose Strecke von Agía Rouméli über Pikilassós nach Soúgia umfuhren wir per Schiff. „Forget it – you will kill you“, sagte uns ein Restaurantbesitzer in Agía Rouméli, den wir nach der Pikilassós-Route fragten.
Und heute? Würden wir wohl zu Fuss gehen, der Weg über Pikilassós ist, obwohl immer noch die Schlüsselpassage des Trekkings entlang der Südküste Kretas, offenbar gebahnt. Das jedenfalls entnehme ich Dareks Wylezols Bildbandführer „Traumtreks Europa. Die schönsten Trekkingtouren zwischen Poloarkreis und Mittelmeer“. Er schlägt die Südküstenwanderung gerade in der umgekehrten Richtung vor, mit dem Finale Imbros-Schlucht. Insgesamt stellt Wylezol 25 Trekkings vor, von A wie Arctic Circle Trail in Grönland (sicher die Traumtour für diejenigen, die unter der Augusthitze leiden) bis Z wie Zagoria-Trek im griechischen Pindos-Gebirge. Ganz oder teilweise in der Schweiz verlaufen die Tour du Mont Blanc, die Walker’s Haute Route Chamonix – Zermatt, der Bärentrek im Berner Oberland sowie die Bernina-Rundtour. Was fehlt, ist der Sentier littoral von St-Tropez nach Marseille – neun Tage la Méditerranée vom feinsten. Handliche Führer und Karten kann der Bildband natürlich nicht ersetzen, aber er gibt viele Grundinfos und macht vor allem gluschtig, die Trekkingschuhe zu schnüren (und die Badekleider einzupacken, jedenfalls für den Südküstentrek).
Wilder und gefährlicher, höher und einsamer, heisser und kälter wird es auf den 26 Abenteuertouren, welche Michael Vogeley auf allen Kontinenten beschreibt. Zu Fuss, mit dem Kanu, mit Ski (wie am Ätna), mit Steigeisen oder auch mit Schlittenhunden oder Kamelen nimmt uns der Autor in „Trekking Traumziele“ vom Kalalau-Trail auf Hawai via Nordpol bis zum Overland Track auf Tasmanien mit. Was ich schon lange mal machen wollte, ist die Nummer 16, der Sentier des douaniers in der Bretagne. Er dauert in seiner ganzen Länge gut 50 Tage. Wenn also während längerer Zeit kein neues „Ankers Buch der Woche“ mehr erscheint, wisst Ihr, wo ich die Trekkingferien verbringe.
Dareks Wylezol: Traumtreks Europa. Die schönsten Trekkingtouren zwischen Poloarkreis und Mittelmeer. Rother Verlag, Fr. 69.90
Michael Vogeley: Trekking Traumziele. Abenteuertouren auf allen Kontineten. AS Verlag, Zürich, Fr. 58.-

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