Zwei neue Bücher über Schweizer Alpenübergänge. Zuerst lesen, dann laufen. Viel Spass am Pass!
«Zwar gehören die Zeiten, als man vom Anblick der Alpen überwältigt wurde und in romantische Verzückung verfiel, längst zur Vergangenheit – zu vertraut sind uns zwei Jahrhunderte später die Berge geworden, zu normal der Gang durchs Gebirge. Doch still genießen und ein bisschen staunen geht noch immer. Auch am wichtigsten Pass des alpinsten Tals der Schweiz.»
Und das ist bzw. sind? Leventina und Gotthard? Rheinwald und Splügen? Linthtal und Klausen? Dreimal nein! Sondern Rhonetal und Simplon. Nirgends sonst in der Schweiz als im Wallis geht es vom Talboden rechts und links so hoch hinauf, und von all seinen Pässen ist der Passo del Sempione geopolitisch gesehen der wichtigste, dicht gefolgt vom Col du Grand-Saint-Bernard. Alle fünf erwähnten Übergänge finden sich in einem druckfrisch aufliegenden Buch.
Ein Buch über das, wofür die Schweiz auch bekannt ist: Pässe. Col du Sanetsch, Passo de Bernina, dazwischen der berühmteste, der Passo del Gottardo. Und weiter gen Süden der tiefste Alpenpass überhaupt, der Monte Ceneri (556 m). Beide Pässe liegen an der Strecke Zürich-Milano. Der Fotograf und Autor Marco Volken kam 1965 in jener Stadt auf die Welt und lebt nun in dieser hierzulande. «Über die Alpen. Große und kleine Pässe zu Fuß entdecken» heisst sein jüngstes Buch. Es stellt 15 Pässe in und am Rande der Schweiz vor und ist eine Seite für Seite überzeugende Mischung aus Kulturführer, Bildband, Geschichtensammlung und Wanderanleitung. Sankt Luzisteig oder Schwägalp, Ibergeregg oder Grosse Scheidegg zu Fuss und nicht mit dem Velo oder gar Auto: Da staunt und geniesst man, da erweitert sich der Horizont Schritt für Schritt, wenn man den Volken gelesen hat, allerspätestens bei der Anreise. Dass er ein besonderes Auge dafür hat, was ein Weg von einem Tal ins andere ausmachen kann, hat er ja mit dem genialen Bildband «Wintersperre – Trève hivernale – Passi solitari» (2020) zu neun Pässen in den Alpen und im Jura schon einmal gezeigt. Kurz: Volken und Pässe, das passt!
Wenn wir schon am Passwandern und -lesen sind, dann sei noch gleich auf ein zweites Buch verwiesen, auf «Panixer Pass Pigniu. Ein Verkehrsweg als Angelpunkt in der Wirtschafts- und Kulturgeschichte zwischen Glarus und der Surselva» von Susanne Peter-Kubli. Die reichhaltig vor allem mit historischen Abbildungen illustrierte Publikation beleuchtet den Fussgängerpass (2407 m) zwischen Elm und Pigniu bzw. Ilanz unten im Vorderrheintal von ganz verschiedenen Seiten: von der Sömmerung und vom Heiraten über den Berg, vom Welschlandhandel und Pilgerwesen, von den Schutzhütten und vom verlustreichen Feldzug von Suworow anno 1799. «Passübergänge gibt es im Glarnerland gleich mehrere und auf drei Seiten», schreibt die 1963 in Netstal geborene Autorin. «Doch war der Panixerpass bis zum Bau der Klausenpassstrasse vermutlich der am meisten begangene.» Wir begehen grad beide mit Marco und Susanne, an einem verlängerten Wochenende in diesem Sommer. Viel Spass am Pass!
Marco Volken: Über die Alpen. Große und kleine Pässe zu Fuß entdecken. Rotpunktverlag, Zürich 2024. Fr. 49.-
Susanne Peter-Kubli: Panixer Pass Pigniu. Ein Verkehrsweg als Angelpunkt in der Wirtschafts- und Kulturgeschichte zwischen Glarus und der Surselva. Eine Publikation des Institutes für Kulturforschung Graubünden. AS Verlag, Zürich 2024. Fr. 49.-