Uferwege am Thunersee

Was gibt es Schöneres als Uferwege?, schreibt unser Rezensent, bekannt als Autor alpiner Wanderführer der steilen Art und Monografien der höchsten Schweizer Berge. Obs am Wetter liegt? Oder vielleicht am Alter? Am Thunersee kann man jedenfalls auch mit dem Rollator noch spazieren, mit freiem Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau.

Strandweg

Doch die Gedanken sind der Taten Korn,
Der Wunsch kann sich zu Werken wandeln:
So ward auch hier die Tat geborn,
Denn nach dem Rufe hieβ es: „Handeln!“

Drum, Sesam! – Auf! – Ihr Schranken fällt dahin!
Der Strandweg Spiez ist nicht mehr leeres Hoffen.
Dir, schöne Seestadt sei er zum Gewinn.
Der Weg ist frei, in alle Zukunft offen!

So tönen die beiden letzten Strophen aus dem vierstrophigen Gedicht „Sesam! Strandweg, tu dich auf!“, das am Samstag, 18. Juli 1914, im „Berner Wochenblatt/Oberländer Zeitung“ zu lesen war. Und 100 Jahre später in Hans Winigers Bildband über den Strandweg von Spiez nach Faulensee am Thunersee. Ein schönes Buch über einen schönen Weg, von einer Bucht zur andern. Vorbei am Hotel Belvédère, wo im Juni und Juli 1954 die deutsche Fussball-Nationalmannschaft residierte. Während Spaziergängen auf dem Strandweg soll der Trainer Sepp Herberger Gespräche mit seinen Spielern geführt haben, und dieser „Geist von Spiez“ führte schliesslich zum „Wunder von Bern“, als Deutschland im Final am 4. Juli 1954 im Wankdorf-Stadion in Bern das hochfavorisierte Ungarn mit 3:2 Toren schlug. Mit diesem Sieg war der Weg frei für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands in die Weltgemeinschaft. Und 60 Jahre später zum erneuten Gewinn des WM-Titels im Fussball. Also fast eine direkter Weg von der Strandpromenade in Spiez zum Copacabana-Strand in Rio de Janeiro, und zum Estádio do Maracanã.

„Strandleben, welche Abwechslung bietest du, wie viel Kurzweil und Vergnügen!“ So frohlockte die in Spiez publizierte Zeitung vor 100 Jahren. „Diese Seepromenade ist in einer Breite von zwei Metern ausgeführt worden. Sie zieht sich in einer Länge von über 3000 Metern direkt dem Ufer entlang bis nach Faulensee. Zahlreiche Ruhebänke am Wege oder in Landvorsprüngen unter Schattenbäumen beweisen, daβ für den Bedarf der Erholungsuchenden, die hier promenieren, verständnisvoll gesorgt ist.“ Eine Einladung für den nächsten Sonntagsausflug? Aber sicher. Einfach die Badekleider nicht vergessen. Damit man das idyllische Schattenbädli, das am Weg liegt, allerdings richtig geniessen kann, sollte es hochsommerlich heiss sein.

Kanderdurchstich

Wandern am und zum Thunersee lässt sich auch anderswo, ebenfalls mit passender Lektüre im Rucksack und ebenfalls auf Jubiläumsspuren. Ende Juli 1714 floss nämlich die Kander erstmals in den Thunersee und nicht wie vorher unkontrolliert und zu Überschwemmungen führend über die Thuner Allmend in die Aare. Deshalb bohrte man vor 300 Jahren durch den Strättlighügel, der die Kander vom Thunersee abhielt, einen Stollen, der später dann einstürzte, so dass die Kander nun durch eine Schlucht ihr Wasser und Geschiebe in den See entlässt. Der Kanderdurchstich war die erste grössere Gewässerkorrektion in der Schweiz. Ein handlicher Führer schildert die Geschichte dieses Eingriffs, der Probleme löste und neue schuf. Er erschien in der Reihe „Wege durch die Wasserwelt – Hydrologische Exkursionen in der Schweiz“. Dorf finden sich übrigens noch andere hochspannende Publikationen zum Thema Wasser und Mensch. Was gibt es Schöneres als Uferwege? Im Sommer – und wenn das Wasser nicht vom Himmel fällt…

Hans Winiger: 100 Jahre Strandweg Spiez – Faulensee. Weber Verlag, Thun/Gwatt 2014, Fr. 29.-
Stefan Schneeberger: Kanderdurchstich – ein wasserbauliches Experiment. Reutigen – Thun. Hydrologischer Atlas der Schweiz, Führer Nr. 6.3, 2013. Herausgegeben in der Reihe „Wege durch die Wasserwelt – Hydrologische Exkursionen in der Schweiz“; Fr. 12.- Bestellen unter: www.hades.unibe.ch/de/order/EF. Oder schriftlich bei: Hydrologischer Atlas der Schweiz, Geographisches Institut der Universität Bern, Hallerstrasse 12, 3012 Bern.

Jubiläumsausstellung „300 Jahre Ableitung der Kander in den Thunersee“ im Rebbaumuseum Spiez; Mittwoch, Samstag und Sonntag 14 – 16 Uhr (bis 29.10.2014).

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