Bücher haben eine Seele, schrieb letzthin ein Philosoph in der NZZ. Kaum jemand ist jedenfalls so beseelt, wenn nicht gar besessen von Büchern, wie unser Rezensent und Sammler bibliophiler Werke. Hier präsentiert er wieder einmal zwei bemerkenswerte Fundstücke – man darf sie sogar ausleihen. Samt ihrer Seele.
Dem ehrenfesten S.A.C.
Lebt, stark an Zahl, an Kräften stolz,
An jungem reich und altem Holz,
Die Sektion am Zürchersee.
Sie hat sich oft hervorgethan
In ältesten und neu’sten Zeiten;
Man sah manch einen Utomann
Auf allerhöchsten Pfaden schreiten,
Mit keckem Wagen, kühnem Sinnen
Sich Jungfernkränze stolz gewinnen.
Und nicht allein als Hochklubisten
Brillirten Utomontanisten,
Nein auch in Kunst und Wissenschaft
Sie regten sich mit Heldenkraft.
Man sah die Braven nimmer ruh’n,
Es stets den Besten gleich zu thun,
Und überall mit gutem Willen
Die Bundespflichten zu erfüllen.
Von diesen Pflichten gibt es Eine,
Die im alpinen Vaterland
Von einem jeden Zweigvereine
Als ersten Rangs ist anerkannt:
Ich meine die Exkursionen,
Die offiziell’n, der Sektionen.
Mir diesen Zeilen beginnt „Uto und Pluto. Ein Gedicht von Leonhard Steiner“. Die 49 Seiten lange Versdichtung wurde „als Manuscript für Freunde gedruckt“, und das bei F. Lohbauer an der Rämistraβe in Zürich, wie auf Seite 1 zu lesen ist. Auf der zweiten Seite enthüllt der Autor die Umstände: „Nachfolgendes Gedicht, eine Schilderung der am 2. und 3. Oktober ausgeführten Herbstexkursion der Sektion Uto S.A.C., wurde für den mündlichen Vortrag in der Clubsitzung geschrieben und am 19. November 1880 der Sektion vom Verfasser vorgetragen, worauf der Vorstand der Sektion den Druck der Arbeit veranstaltete.“ Dazu ein Ausschnitt aus dem Sektionsbericht der Sektion Bern im SAC-Jahrbuch von 1881: „Die Bibliothek, die sich einer ordentlichen Benutzung durch die Mitglieder erfreut, ist durch reichliche Schenkungen wieder um ein Erkleckliches angewachsen. Von diesen heben wir hervor: Eine Serie Hochgebirgsphotographien von Herren Beck und Held; einige Exemplare des in clubistischen Kreisen bestens bekannten und gern gelesenen ‚Uto und Pluto‘ von Herrn Leonhard Steiner von der Section Uto.“
Dieser „Uto und Pluto“ wird nun hoffentlich auch von Euch gern gelesen, liebe Leser von „Ankers Buch der Woche“. Wer das Exemplar bei mir ausleihen möchte, kann das machen. Seit dem 13.2.13 bin ich nämlich stolzer Besitzer dieser bibliographischen Rarität. Aber nicht nur dieser: Im gleichen Päckchen aus dem Buch-Antiquariat D’Angelo von der Grosswiesenstrasse in Zürich lag ein ebenso dünnes und kleines, doch hübscheres und leichter lesbares Büchlein von 30 Seiten bei. „Elle et lui en ski, dessinés et commentés par Jean S. Goth», 1945 im Cercle littéraire in Genève erschienen, in einer Auflage von 827 Exemplaren; mein Exemplar hat die Nr. 183. Thema: ein skilaufendes Paar in den Bergen, Hochs und Tiefs, Irrungen und Wirrungen, Stürze und Stütze. 30 schwarzweisse Zeichnungen, mit kurzen Gedanken von ihr oder ihm versehen. Bei der Hütte allerdings, vor der sich die beiden sonnen, sieht man nur die in den Schnee gesteckten Ski und Stöcke; „loin des chemins battus!“ lautet der Kommentar des Zeichners. Und die letzte Zeichnung zeigt eine Skispitze umrahmt von Soldanellen: „quand revient le printemps!“ Wenn ich heute zum Fenster hinausschaue, scheint der Frühling so weit weg zu sein wie die Zeit, als man Tourenberichte noch als mehrseitige Gedichte verfasste.
Leonhard Steiner: Uto und Pluto. Ein Gedicht, Zürich 1880.
Jean Samuel Goth: Elle et lui en ski, Genève 1945.