Vallons de l’Helvétie et La Suisse illustrée

Von Kartoffel- und andern Bergen und auch Herbergen Helvetiens und viel weiter Wissenswertem aus vergangenen Zeiten erzählen «mehr als zwei Handvoll Bücher», die unser Scout in den Turnschuh-Geröllhalden der Flohmärkte von Paris und der dortigen Librairie des Alpes aufgespürt und im Rucksack heimgetragen hat. Auch Literatur kann zum sportlichen Training führen, zu geistigem und sprachlichem ohnehin.

– Monsieur de l’Ours, nous voudrions bien un lit et un diner dans votre demeure.
– Hooom.
– Il ne comprend pas le français! Herr fon Boer, koennen Sie uns ein Zimmer und etwas zu essen geben?
– Hooom.
– Il ne sait pas l’allemand! dit Georges. Mylord of beer, we wish to have a room et something to eat.
– Hooom.
– Pas d’anglais, continuai-je! Essayons des langues mortes! Potesne, o urse, nobis conclave et prandium dare?
– Hooom.

Etwas einseitiges, aber nicht untypisches Gespräch zwischen französischen Touristen und dem Wirt des «Bären» in Zweilütschinen, vor gut 100 Jahren. Wahrscheinlich wäre er auch wortkarg geblieben, wenn ihn ein Einheimischer nach Logis und Kost gefragt hätte. Offenbar fanden die Fremden beim knorrigen Wirt dann doch noch Unterschlupf, sogar mit einem „diner mémorable“, wie man dem Reisebericht „Vallons de l’Helvétie. Impressions de voyage“ von André Herman entnehmen kann, der 1882 in Paris bei Paul Ollendorff, libraire-éditeur, 28 bis, Rue Richelieu, erschien. „Une montagne de pommes de terre, couronnée de bastions de biftecks, suffisant à rassasier un escadron affamé. Ce monceau placé au milieu de la table empêche les vis-à-vis de se voir (en exagérant un peu).“ Nicht nur beim Abendessen übertrieb Monsieur Herman un peu, auch sonst in seinem 200seitigen Journal über eine Reise durch die Schweiz mit einem kurzen Abstecher nach Italien beim Weg von Locarno über den Lago Maggiore und via Simplon zurück nach Helvetien. Zum Beispiel bei der Charakterisierung von Ouchy: „port de mer, Pirée de Lausanne.“ Magnifique! Wenigstens damals; heute hätten die Tourismusverantwortlichen von Lausanne wohl nicht eitel Freude daran, wenn ihre Stadt und ihr Hafen mit Athen und Piräus verglichen würden. Garniert ist der Bericht aus den helvetischen Tälern mit Gedichten – Homer lässt grüssen. Ich entdeckte das Reisebuch, dessen Seiten teilweise noch nicht aufgeschnitten waren, in der Librairie Prologue, einem Buchantiquariat an der Rue des Rosiers auf dem Marché aux Puces an der Porte de Clignancourt in Paris. Nicht das einzige Buch, das ich aus den Auffahrtstagen mit dem TGV Lyria heimbrachte, mais non!

Vom grössten Flohmarkt von Paris nahm ich beispielweise noch den Prachtsband „La Suisse illustrée“ von Albert Dauzat mit, 1913 von der Librairie Lausousse in Paris herausgegeben; knapp 300 Seiten mit 635 schwarz-weissen Fotografien. Und welcher Berg ist auf dem reliefartigen Einband zu finden? Das Matterhorn natürlich. Ein Ausflug zum Marché aux Puces kann sich also lohnen; man muss sich bloss zuerst durch „Geröllhalden“ von Jeans- und Turnschuhständen kämpfen.

Und dann ist da noch die Librairie des Alpes an der Rue de Seine 6, nur ein paar Schritte vom linken Ufer entfernt: der Eiffelturm unter den Bergbuchantiquariaten. Ich kaufte dort mehr als zwei Handvoll Bücher, vor allem Skibücher wie die hübschen Werke „Le climat de montagne et l’ensoleillement – Le ski de compétition – Leurs effets physiologiques“ von Docteur Pierre Minelle (1927) und „Les compagnons de la neige“ von Robert Mathéron (1946) – kleine Trouvaillen, weil es unbekannte, vergessene Bergbücher sind, keine de Saussure, Desmaison oder Rébuffat. Die vier Bände des Vallot-Führers über das Mont-Blanc-Massiv, so etwas wie die Bibel für dieses Gebirge, wanderten ebenfalls in meinen Rucksack. Auch den hübsch illustrierten Führer „Les Ormonts“ von Eugène Pichard aus dem Jahre 1934 erstand ich dort: Beim Blättern und Lesen packt einen die Lust, ein paar Tage in den Waadtländer Alpen zwischen Col de Mosses, Col du Pillon und Col de la Croix zu verbringen. Als Unterkunft empfiehlt sich, wie dem Reklameteil zu entnehmen ist, das „Hôtel de l’Ours“ in Vers-l’Eglise: „Auberge communale. Restaurant. Pension-famille ouverte toute l’année. A 3 minutes de la station A.S.D.“ In diesem „Bären“ und diesem Vallon war Monsieur Herman übrigens nicht.

Librairie des Alpes, 6, rue de Seine, 75006 Paris, www.librairiedesalpes.com.
Am 7. Juni 2012, zwischen 18 und 21 Uhr, wird dort die in den Éditions Guérin erschienene Biografie über Pierre Mazeaud, einen der ganz grossen französischen Alpinisten, vorgestellt, und er wird dabei sein.

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