Villiger

Am 27. November 2008 verstarb Fritz Villiger 82-jährig. Verdingbub, Möbelschreiner, Bergführer, verwegener Kletterer. Erstbegeher des Villigerpfeilers am Zwillingsturm. Eine Erinnerung.

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Fritz Villiger ist Ende November gestorben, lese ich. Wir sind uns nur einmal begegnet, und das war am 11. Juli 1962 in der Sciorahütte. Villiger, der grosse Villiger, der Erstbegeher des Ostpfeilers des Zwillingsturms am Salbit. Die Route hatte damals einen brutalen Nimbus, eine der schwierigsten der Schweiz, wenn nicht die schwierigste überhaupt, denn wer konnte das wissen. Noch niemand hatte sie wiederholt nach Villigers Erstbegehung drei Jahre zuvor mit Kurt Grüter. Es ging das Gerücht, vor der Schlüsselstelle, einem grifflosen Riss, hätten sie an zwei Holzkeilen Schlingenstand gemacht. Zwei Holzkeile! Nun gut, wir hatten damals Erfahrung mit diesen Holzklötzen mit Drahtschlinge, vor allem schlechte. Aber als Stand, bewahre! Das erschien uns denn doch allzu kriminell.
Fritz jedoch bearbeitet uns damals in der Sciorahütte, er hatte am Tag zuvor mit Moses Gamma die Badilewand geklettert und sass beim Bier, bei der x-ten Büchse, machte der schönen Hüttenwartin Lucia den Hof und zwischendurch machte er uns seinen Pfeiler schmackhaft: «Ihr Jungen, ihr müsst ihn packen, ihr schafft das.» Und noch etwas empfahl er uns: «Geht heute schon rüber zur Wand, nehmt wenig mit, ihr müsst schnell sein morgen, das Wetter kann umschlagen.» So stolperten wir also gegen Abend über die Moränen hinüber, man stieg ja damals noch ganz am Fuss der Badilewand ein, wir biwakierten auf Schuttbändern und hatten nichtmal Pullover mitgenommen, eben, um leicht und schnell zu sein. Das waren wir dann auch, zum Glück, denn kaum hatten wir um die Mittagsstunde den Gipfel erreicht, brach ein Hagelgewitter los. Na ja, die Geschichte habe ich schon hundertmal erzählt und wohl ein Dutzend Mal aufgeschrieben.
Den Villigerpfeiler schafften ich mit Hansruedi Horisberger dann erst im Herbst 1967, es war vielleicht die zehnte Begehung. Nach zwei oder drei Versuchen zuvor, einmal selbst mit Biwak auf den Bändern. (Das Bild zeigt mich bei einem Versuch mit Dieter Kienast, der später ein weltbekannter Professor für Landschaftsarchitektur geworden ist, leider vor zehn Jahren verstorben; und Robi Hugentobler, Bergführer und auch eine legendäre Figur. Das Foto machte Hansruedi Horisberger.)
Der Villigerpfeiler, ein Traum in Granit. An den Holzkeilstand erinnere ich mich nicht mehr, der war damals wohl schon durch ein paar rostige Haken ersetzt. Später war ich nochmals am Villiger, so um 1986 rum mit Ueli Dubach, da gab es schon Klemmkeile und Friends, vielleicht schon ein paar Bohrhaken, aber «saniert» war die Route noch nicht. Ich rutschte unter der Schlüsselstelle mit den «Fire» weg, der ersten oder zweiten Generation von Kletterfinken. Blieb mit einem Fuss in einer Schlinge hängen und hing dann kopfüber in der Wand. Zur Erheiterung der Seilschaft, die uns folgte: Heinz und Werni Hüsser. Heinz schrieb mir daraufhin einen Brief und wurde so einer meiner besten Kletterfreunde, sozusagen mein Sportkletter-Mentor.
Na ja, so geht die Zeit. Nun ist Fritz Villiger also gestorben und es ist doch berührend, dass der grandiose Pfeiler seinen Namen trägt und nicht irgend so eine Phantasiekreation, wie das heute üblich ist. Noch immer träume ich davon, nochmals dort hinaufzuklettern, wo jetzt statt der Holzkeile Bohrhaken und Muniringe stecken, die Griffe und Tritte und der Tiefblick aber noch immer so sind, wie einst.

Mehr über Fritz Villiger und den Villigerpfeiler in: BGA-intern. Insiderinformationen der Bergsteigergruppe Alpina, Ausgabe 2009. Redaktion: Dominik Grimm, domigrimm@gmx.ch

Ein Gedanke zu „Villiger

  1. merci,
    für den Beitrag, der natürlich ausgezeichnet in mein Tagebuch
    passt. Das Foto hast Du nicht per Zufall in der Nähe.

    Gruss! robert hugentobler

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