Vom Mont-Blanc an die BergBuchBrig

Nicht verpassen: Anfang November nach Brig, später dann nach Chamonix bzw. Courmayeur. Mit Büchern im Rucksack, vielleicht auch mit Seil und Stöcken.

«Uno storico nido d’aquila perduto per sempre.»

Diesen Verlust einer geschichtsträchtigen Biwakschachtel für Alpinisten meldete „Montagne360“, die Zeitschrift des Club Alpino Italiano, in ihrem Oktoberheft. Ein Felssturz hatte Ende August 2022 das Bivacco Alberico e Borgna (3737 m) beim Col de la Fourche am Südwestgrat des Mont Maudit im Mont-Blanc-Massiv mitgerissen. Das 1935 erbaute Bivouac de la Fourche (so nennen die Franzosen die 10-plätzige Unterkunft auf der Staatsgrenze) war noch 1985 komplett restauriert worden und musste wegen seiner ausgesetzten Lage hoch über dem Glacier de la Brenva immer wieder neu gesichert werden. Nun liegt es zerstört auf diesem Gletscher – der Klimawandel mit auftauendem Permafrost lässt grüssen.

In der Ende August erschienenen dritten Auflage des dritten Bandes von „Neige, Glace et Mixte. Le topo du massif du Mont-Blanc“ ist der verlorene Alpinisten-Adlerhorst natürlich noch drin, mit genau eingezeichnetem Wegverlauf auf einem Luftbild, das die grandiose Firn-Granit-Welt östlich des Dachs der Alpen zeigt. Der Führer von Bergführer François Damilano beschreibt alle eisig-felsigen Anstiege zwischen Mont-Blanc und dem Bassin de Tré-la-Tête. Insgesamt 390 historische und neue Routen, von der berühmten Arête de l’Innominata am Mont-Blanc de Courmayeur bis zur Voie Rébuffat in der Westwand des Mont-Blanc, am 2. Juni 1985 eröffnet von Patrick Gabarrou & Co; etwas nördlich davon die „Balade d’automne“ von François selbst, mit Godefroy Perroux im Oktober 2001 erstbegangen, und dann mit Varianten am 13. Juni 2013 erstmals mit Ski von Vivian Bruchez und Bastien Fleury befahren. Anders gesagt: Wer sich alpinistisch mit Pickel und Ski am höchsten Gipfel der Alpen austoben will, braucht Tome 3 von „Neige, Glace et Mixte“; die Bände 1 und 2 selbstverständlich ebenfalls (vgl. https://bergliteratur.ch/?s=damilano). Doch all die Farbfotos mit den roten Linien können auch nur angeschaut werden. Vielleicht findet man noch einen Eisschlauch, der noch nie erklettert wurde; vor dem Einsteigen sicherheitshalber aber bei François nachhaken, ob dem auch so ist.

Konkurrenz erhielt Monsieur Damilano vom Fotografen Alex Buisse, der im Bildbandführer „Mont-Blanc Lines“ grossartige Farbfotos versammelt hat, darin die wichtigsten Routen an den wichtigsten Gipfel des ganzen Mont-Blanc-Massivs farbig eingezeichnet sind, teilweise in Übersicht, zuweilen auch im Detail. Daneben zeigen noch Actionfotos den höchsten und wohl besten Spielplatz der Alpen. Wer also endlich einmal die Voies des Suisses an den Courtes bzw. am Grand Capucin erleben will, schaut sich die entsprechenden Seiten genau an. Nicht dass man dann plötzlich in der Voie des Autrichiens klettert bzw. am Capucin in „O Sole Mio“ Höhe gewinnt (was insofern nicht so schlimm ist, da dieser Anstieg von den Schweizern Michel Piola und Pierre-Alain Steiner am 21./22. April 1984 gefunden wurde). Texte dokumentieren die Geschichte der Wege, heutige Alpinisten erzählen, wie sie damit und den aktuellen Herausforderungen, also dem Rückgang der Gletscher und dem Abbrechen von Felspartien, zurechtkommen. Das Foto auf Seite 67 zeigt einen kleinen Felssturz in der Nordwand der Aiguille du Dru; es gab auch schon grössere. Originalton von Vivian Bruchez: „Cette montagne a un élan, elle représente la verticalité, l’esthétisme, l’élégance des grandes montagnes mais aussi la fragilité des ces versants, les pans de montagne effondrés suite au réchauffement.“

Hinten in seinem Buch zeigt Alex Buisse noch Linien in drei Wänden des Matterhorns sowie in der Nordwand des Eigers. Um diese Gipfel kann man halt einfach nicht herumklettern… Item: Matterhorn und Klimawandel haben ihre Auftritte an der BergBuchBrig; das Multimedia-Festival zu Natur, Kultur, Freizeit und Abenteuer in den Bergen geht vom 2. bis 6. November 2022 in der Alpenstadt Brig über die Bühne. Hier nur fünf Tipps:
– Am 3. November um 14 Uhr die szenische Lesung „Empor – Der Wettlauf zum Gipfel des Matterhorns“; um 22 Uhr der Dokumentarfilm „Sur les traces du Lucy Walker“ (die Engländerin stand als erste Frau auf dem Gipfel des Matterhorns).
– Am 4. November ab 13 Uhr die Bildervorträge „Die Plaine Morte und ihre Gletscherseen“ und „Eisberge am Gerenpass“ – zwei eisige Phänomene des Klimawandels.
– Am 5. November um 17 Uhr meine Bücherpräsentation „Après-Lift“ und „WasserRauschen“, mit dem Hinweis auf einen eigentlich wegen der Gletscherschmelze neu sichtbaren und nummerierten Bach, der vom Wallis ins Berner Oberland fliesst, in diesem heissen Sommer aber schon wieder versickert ist.

François Damilano: Neige, Glace et Mixte. Le topo du massif du Mont-Blanc – tome 3. Du Mont-Blanc au bassin de Tré-la-Tête. JMEditions, Chamonix 2022. € 29,50.

Alex Buisse: Mont-Blanc Lines. Éditions Glénat, Grenoble 2021, € 35,00.

www.bergbuchbrig.ch

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