Vom Wasser – Quellen und Gletscherseen

Ohne Wasser kein Leben. Ohne Bücher auch kaum. Zwei neue Bildbände erfrischen das aquatische Helvetien.

Liebe, fromme Wassernixe,
Die dort in der Felsenbüchse,
Wohin nie die Sonne scheint,
Dies gesunde Wasser weint.

Ich hoffe, Ihr seid mir nicht böse, dass ich wieder mal aus meinem Lieblings-Poesieband „Helvetiens Naturschönheiten“ von 1856 zitiere. Diesmal – und nur die erste von zehn Strophen – aus „Die Nymphe der Pfäfersquelle“ von Ulysses von Salis-Marschlins. Von der um das Jahr 1000 entdeckten Thermalquelle in der düsteren Taminaschlucht bei Bad Pfäfers wird natürlich mit Text und Bild berichtetet in dem am 9. August 2021 erscheinenden Buch „Quellen der Schweiz. Naturschauplätze im Wasserschloss Europas“ von Rémy Wenger, Jean-Claude Lalou, Roman Hapka. In zwölf Kapiteln bohren sie mit Hilfe weiteren vier AutorInnen die helvetischen Quellen aus ganz verschiedenen Blickwinkeln an: vom Gotthard, dem Wasserschloss Europas, durch die unterirdischen Quellen, die von Tauchern erforscht werden, bis zu den Quellen des Lebens, genauer zur ziemlich unbekannten Flora und Fauna dort, wo das Wasser ans Licht kommt. Grund- und Mineralwasser, Heilquellen und Gewässerverschmutzung sind weitere Themen in diesem reich mit Fotos, Zeichnungen, Diagrammen und Karten illustrierten Buch. Es macht zudem Lust, ein paar der Quellen und Wasserläufe mal aufzusuchen: zum Beispiel die von Goethe erwähnte Quelle der Orbe im Tal von Vallorbe oder die warme Combioula-Quelle am Fluss La Borgne im Val d’Hérens. Die näheren Angaben zu 19 Quellenwanderungen finden sich auf www.randosourses.ch. Tour 10 führt zur Simmenquelle bei Lenk; das aus Sieben Brunnen hervorschiessende Wasser stammt vom mehr als 1000 Meter höher gelegenen Plaine-Morte-Gletscher.

Wer mehr wissen will zu diesem Plateaugletscher in den Berner Alpen am Rande zum Kanton Wallis, zu den unterirdisch abfliessenden Wassern und den gefährlichen Gletscherseen, muss zum noch fast druckfrischen Bildband „Die Plaine Morte und ihre Gletscherseen“ von Hans-Ueli Hählen greifen. Er dokumentiert minuziös die Gletscher-See-Wildbach-Eisverlust-Geschichte. Die durch den Klimawandel verursachte Gletscherschmelze hat in der Schweiz in den letzten zehn Jahren 180 neue Gletscherseen entstehen lassen. Aber längst nicht alle dieser eisigen Seen sind zum Glück so gefährlich wie der Lac des Faverges auf dem Glacier de la Plaine Morte. Er entwässert über den Trüebbach, der immer wieder für Unruhe und Überschwemmungen sorgt. So verheerend am 27. Juli 2018, als der randvolle Favergessee rasant auslief und der Trüebbach enorme Schäden verursachte – das Hochwasser zerstörte die fast 160 Jahre alte Schwappsperre auf dem Rezlibergli und neun Brücken. Seit 2019 gibt ein Entlastungskanal Sicherheit. Trotzdem bestand im August 2020 plötzlich wieder Hochwassergefahr, die Gebiete Fluhsee-Tierbergtäli und Rezliberg-Langermatte mussten gesperrt werden. Hölle und Himmel liegen da nicht weit auseinander: nur siebenhundert Meter Luftlinie zwischen der hellen Simmenquelle und dem trüben Bach. Trüb scheint auch der eingangs erwähnte Fluss zu fliessen. Ich wage, nochmals eine Strophe zu zitieren, diesmal aus einem Gedicht von Johann Jakob Reithard:

Hörst du’s donnern, zischen, brausen
Unter’m schmalen Felsensteg?
Hier in dieser Nacht voll Grausen
Scheint des Todes Bild zu hausen:
Der Tamina hohles Sausen
Füllt mit Schrecken unseren Weg.

Rémy Wenger, Jean-Claude Lalou, Roman Hapka: Quellen der Schweiz. Naturschauplätze im Wasserschloss Europas. Haupt Verlag, Bern 2021. Fr. 48.-

Hans-Ueli Hählen: Die Plaine Morte und ihre Gletscherseen. Werd & Weber Verlag, Thun/Gwatt 2021. Fr. 49.-

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