Von Goethe zu Bratschi

Bücher und Veranstaltungen zum Thema Stadt & Berge. Zum Beispiel am Sonntag, 1. September, mit der Lenk im ALPS in Bern.

«Eben da ich so schrieb, sah ich durch die Schornsteine, dass die Sonne unterging, und ich lief schnell auf die Terrasse hinter dem Münster. Sie war schon untergegangen und an den Schneebergen stand noch das Rot, und der Mond oben darüber, du kennst den Anblick. Adieu.»

«Weisst du, was ich am letzten Sonntag unternommen habe? Ich war draußen vor der Stadt. Dort liegt ein Hügel. Von da habe ich lange hinübergeschaut zu den Bergen, die silberweiß herüberschimmerten. Nein, daß es so was gibt, mußte ich mir immer wieder sagen. Zu Hause habe ich die Berge nie so schön gesehen.»

Die Berge, von der Stadt aus gesehen. Immer wieder ein sehr erfreulicher Anblick. Gerade in Bern. Die hohen Eis- und Felsgipfel am Horizont machen schon was her, von Herbst bis Frühling noch mehr als im Hochsommer, wenn in der Eigernordwand auch das Zweite Eisfeld und die Weisse Spinne einfach schwarz sind.

Das erste Zitat stammt von Johann Wolfgang Goethe (1749–1832), das zweite von Peter Bratschi (1886–1975). Goethe – am 28. August 2024 wird sein 275. Geburtstag gefeiert – machte auf seiner zweiten Schweizer Reise Mitte Oktober 1779 einen mehrtägigen Zwischenhalt in Bern. In einem Brief an den Darmstädter Schriftsteller Johann Heinrich Merck schilderte er kurz die Tour durchs Berner Oberland und blickte von der Münsterplattform auf die Alpen zurück. Abgedruckt ist der Brief in der zweibändigen Publikation «Goethes Schweizer Reisen». Damit können Goethe-Liebhaber, Schweiz-Reisende und Wanderfreundinnen die Wege des berühmten Dichters durch Helvetien neu erleben. Band I präsentiert seine drei Schweizer Reisen sowie die Rückreise von Italien anno 1788 in chronologischer Reihenfolge und bietet einen genauen Einblick in seine Eindrücke und Erlebnisse. Band II ermöglicht es, Goethes Wegen heute nachzuwandern. In Bern zum Beispiel vom Bahnhof via Münsterplattform zum Rosengarten und dann via Schosshaldenfriedhof, wo es einen künstlichen Hügel mit schönem Alpenblick gibt, und Ougsburgergut zum Zentrum Paul Klee. Zusätzlich zur fein illustrierten Printausgabe im Schmuckschuber steht Interessierten die Website «Goethe in der Schweiz» (www.goethe-schweiz.ch) zur Verfügung. Hier können im Unterkapitel «Reisen» weitere Quellen und Texte eingesehen werden, welche die Edition ergänzen. Dazu gehören insbesondere die Briefe aus der Schweiz, die im Buch nur auszugsweise abgedruckt, aber auf der Website als Ganzes zur Verfügung gestellt sind. Und aktuell wie der runde Geburtstag: Am 24. August 2024 eröffnete Gabriele Boner, die Botschaftsrätin der Deutschen Botschaft in Bern, in Hospental den von Sasso San Gottardo lancierten Themenweg «Mit Goethe am Gotthard».

Goethe war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Politiker. Das gilt ebenfalls für den in Matten bei der Lenk geborenen und in Bern verstorbenen Peter Bratschi. Er war Gewerkschafter, SP-Grossrat, Vorstandsmitglied der Radiogenossenschaft Bern und eben Schriftsteller, mit acht Novellen- und Romanbänden, je sechs Gedichtsammlungen und Theaterstücken sowie politischen Schriften. Vom Sonntagsausflug auf den Hügel am Berner Stadtrand erzählt Rosy im Gespräch mit Toni; sie sind die Hauptfiguren in «Nacht über den Bergen. Dramatische Bilderfolge». Die Uraufführung ging am 26. Februar 1934 im Stadttheater Bern über die Bühne. Toni und Rosy suchen das Glück in der Stadt, kehren nach einiger Zeit aber enttäuscht in die Berge zurück: «Es ist eine eigene Sache um die Berge. Die lassen sich nicht wegwerfen wie ein alter Hut.» Peter Bratschi wird eine wichtige Rolle spielen an der Eröffnungslesung «Der Wildstrubel ruft» von «LiteratureLenk. Der Röstigraben n’existe pas». Das erste bilinguale Literaturfestival findet vom 11. bis 13. Oktober 2024 im Hotel Kreuz an der Lenk im Simmental statt; www.kulturlenk.ch/de/literaturlenk/programm

Doch vorher steigt Lenk nach Bern hinab: «Lenk isst und liest. Literarischer Brunch im Restaurant las alps» am Sonntag, 1. September 2024, von 10 bis 14 Uhr. Das ALPS Alpines Museum der Schweiz sorgt in seinem Restaurant für den kulinarischen, die Stiftung Kulturförderung Lenk für den literarischen Genuss. Der Historiker, Schriftsteller und Drehbuchautor Wilfried Meichtry liest gemeinsam mit den Teilnehmenden seiner Schreibwerkstatt. Die je halbstündigen Lesungen finden um 10.45 Uhr und 12 Uhr statt. Das Brunchbuffet inklusive Lesungen kostet Fr. 35.− Hier geht’s zur Anmeldung: https://alps.museum/veranstaltungen/lenk-isst-und-liest. Zur Verdauung empfiehlt sich der Spaziergang durch die renovierten, mit dem Schulthess Gartenpreis 2024 prämierten Englischen Anlagen zum Bärenpark und dann durch die Berner Altstadt zur Münsterplattform.

Margrit Wyder, Barbara Neumann, Robert Steiger (Hg.): Goethes Schweizer Reisen. Band I: Tagebücher, Briefe, Bilder; Band II: 25 Wanderungen. Schwabe Verlag, Basel  2023. Fr. 49.-

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