Ein feines, dickes Buch, das nach Berghütte und Kaminfeuer duftet, aber nicht nur…
«Ma journée idéale à Zermatt commence par un café à une table du Zum See dès l’ouverture, suivi par une petite randonnée de deux heures jusqu’au Chalet-Étoile, à Cervinia, pour un déjeuner de pâtes. Retour en fin de journée à ma pension préférée, l’Alpenblick, avant de ressortir pour une fondue au Whymper Stube (du nom d’Edward Whymper, alpiniste, premier ascensionniste du Cervin, et écrivain.»
Wer kriegte da nicht Hunger, wer käme da nicht mit? Wenigstens im Winter und Frühling, wenn auf den Pisten bis Zermatt und Breuil-Cervinia gefahren werden kann. Denn ohne Ski dürfte die kleine Wanderung, immerhin über den fast 3330 Meter hohen Theodulpass, kaum in zwei Stunden zu machen sein. Und die Seilbahnverbindung „Alpine Crossing“ mit dem erstmaligen Abschnitt Klein Matterhorn – Testa Grigia nimmt erst Ende 2022 den Betrieb auf; dann werden wir ohne Ski- oder Bergschuhe zwischen den Gourmetdörfern dies- und jenseits des Matterhorns hin und her pendeln können. Etwas körperliche Bewegung tut allerdings gut. Wenigstens wenn wir all die feinen Speisen essen möchten, die uns die kanadische Journalistin Meredith Erickson in ihrem 360-seitigen Buch „Voyage gourmand dans les Alpes“ auftischt. Zum Beispiel die Foie de veau à la poêle avec du rösti im Restaurant Zum See; wie das Gericht zubereitet werden muss, erfahren wir natürlich Gang für Gang.
Sechs Jahre lang reiste Meredith Erickson durch die Alpen von Italien, Österreich, Frankreich und der Schweiz, mit dem Auto, zu Fuss, auf Ski und mit Seilbahnen, um ein Gourmet-Inventar zu erstellen, Restaurants zu testen und Rezepte zu finden. Slowenien und Liechtenstein liess sie aussen vor, von Deutschland serviert sie die Saucisse blanche de Munich, inklusive Thomy-Senf! Die besten Macaronis du berger (Älplermakkaronen) ass sie im Hotel Alpenland in Lauenen, die besten Nussgipfel beim Gässli-Beck in Habkern. Die Rezepte dazu auf den Seiten 236 und 239; dort noch gleich der Tipp, wie man gewöhnliche Gipfeli vom Vortag in frische Nussgipfel verwandeln kann.
Vom vielen Schlemmen und Kochen, Probieren und Dekantieren fielen ein paar geografische, touristische und geschichtliche Sachen sozusagen zwischen die Pfannen, Teller und Gläser. In der Schweiz gibt es nicht nur neun Alpenkantone (Glarus und Unterwalden zum Beispiel gingen vergessen), es gibt sechs (und nicht fünf) Messner Mountain Museums, und Alfred Wills bestieg das Wetterhorn nicht erst 1865, sondern schon 1854. Zudem hätten ein paar Bildlegenden mehr nicht geschadet. Trotzdem: ein appetitanregendes Buch mit 75 Rezepten und vielen Farbfotos. Und wenn wir all die Antipasti valdôtains im Les Neiges d’antan in Cervinia verspeist haben, begleitet von einem Torrette oder Fumin aus dem Alta Valle d’Aosta und zuletzt noch von einem Gläschen „Schnapps à l’arolle“, brechen wir auf zu einem kleinen Verdauungsspaziergang. Bon appétit et bonne balade!
Meredith Erickson (Text), Christina Holmes (Foto): Voyage gourmand dans les Alpes. Italie – Autriche – Suisse – France. Recettes, rencontres et adresses incontournables. Éditions Glénat, Grenoble 2021, € 39,00.