Sie weiss zwar ungefähr, wo der Garten zu suchen ist, aber bisher hat sie sich nicht auf den Weg dahin gemacht. Es wird Zeit. Wie das Schicksal sonst noch zuschlägt, darüber sei hier erzählt. © Annette Frommherz
Geredet hatte sie schon des längeren davon, einmal zu dem Garten zu gelangen, wo ihre Namensvetterin vor manchen Jahren hinaufgestapft sein soll. Das Vreni und ihr Gatte sind noch auf keiner Hochtour gewesen. Der Garten des Vreneli zieht beide magisch in den Bann. Wenn schon, denn schon dieser Berg – nomen est omen. Für meinen Liebsten und mich ist die Tour eine Wiederholung, doch Wiederholungen in den Bergen gibt es eigentlich nicht, nur Vergleiche zu den letzten Touren. Die Bedingungen sind meist anders; das Wetter ändert sich und damit die Verhältnisse auf Pfaden, Gletschern und Graten.
Mein erster Versuch, zum Gipfel des Vrenelisgärtli zu gelangen, scheiterte vor drei Jahren durch ein heftiges Gewitter. Mein damaliger Begleiter und ich mussten seinerzeit auf dem Glärnischgletscher umkehren. Wir schworen uns, es ein anderes Mal zu versuchen, und verschoben den Gipfelkuss. Aus dem Schwur wurde nichts; ein Jahr später stand ich mit meinem Liebsten auf dem Gipfel.
Zwei Jahre später kehren wir zurück zu diesem Glarner Berg, diesmal gleich mit dem Vreni, das ich die letzten beiden Male umsonst gesucht hatte. Unsere Bikes stehen unten beim Alpgebäude für den Heimweg bereit, damit wir unsere Füsse von der Chäserenalp zum Klöntalersee nicht noch heisser werden lassen müssen. Durch das Rossmattertal gelangen wir zu viert zur Glärnischhütte, wo nach dem Wochenende Ruhe eingekehrt ist. Nur ein paar wenige wollen sich den nächsten angekündigten Prachtstag nicht entgehen lassen. Dass unter diesen auch derjenige ist, mit dem ich damals den Schwur tat, ist die Ironie des Schicksals, dem wir uns gerne fügen. Das Wiedersehen ist freudig. Er wird anderntags mit seinen zwei Gästen zum Gipfel schreiten.
Vreni und ihr Mann sind mit den Steigeisen und dem Klettergurt schnell vertraut, und sie laufen am nächsten Morgen am Seil über den Gletscher, als wäre es nicht ihr erstes Mal. Ihr Staunen über die Gletschermasse, die Gipfel und die Weite rundherum lässt mich die Zeit zurückdrehen, in der es auch für mich ein erstes Mal bedeutete. Viel geändert hat sich nicht: ich staune noch immer, jedes Mal aufs Neue. Der Schwändigrat ist vollständig aper; letztes Mal empfing er uns mit harschem Schnee. So oder so: auch diesmal bereitet mir die Ausgesetztheit schnelleren Puls, und ich muss mich an der einen oder anderen Stelle zwingen, ruhig zu bleiben und durchzuatmen. Die beiden ‚Neuen’ dagegen tun so, als wäre es ihr täglich’ Brot. Ich hätte schwören können, dass sie wochenlang heimlich geübt haben.
So findet Vreni ihren Garten, und es ist mit Sicherheit ein Garten Eden, so glücklich wie sie aussieht da oben. Ich für meinen Teil darf auf dem Gipfel neben meinem Liebsten auch den Schwurkumpanen von damals küssen, selbst wenn wir heute in getrennter Seilschaft auf den Gipfel gefunden haben. Das Schicksal will es so.
Und weil das Vreni und ihr Mann zugunsten des Vrenelisgärtli auf die Chilbi verzichtet haben, lassen wir bald die Überraschungskatze aus dem Sack: Magenbrot, gebrannte Mandeln und Nideltäfeli. Chilbi mit dem Vreni, und das in ihrem Garten!
Liebe Annette,
du findest überall und unter allen Umständen eine Rechtfertigung, küssen zu können…. Schön so.
Sicher kennst du die beiden Bücher von Tim Krohn: Vrenelis Gärtli und Quatemberkinder. Zwei echte Highlights!
Lieben Gruss und Küsschen (!)
Peter