Wallis: Bergseensucht und mehr

Vier Bücher machen Lust auf Ferien im Wallis. Man möchte am liebsten den Rucksack packen und hinreisen.

«Der Jüngling unter den Walliser Badeseen – wurde er doch erst 2003 auf dem ehemaligen Flugplatzgelände Ulrichen eingeweiht. Der östliche Teil liegt in einem Naturschutzgebiet. In den Sommermonaten ist der Geschinersee ein Paradies für Schwimmer, Stand-up-Paddler und Fischer – im Winter kann man auf ihm Schlittschuh fahren.»

Ist dieser See im Goms ein Ziel für den Sommer 2021? Mais bien-sûr! Der Anusee im Lötschental auch, der Lac Le Louché im Val de Réchy ebenfalls. Den Mässersee im Binntal kennt man nicht. Den Riffelsee und den Stellisee ob Zermatt hingegen haben alle schon mal gesehen, wenn nicht in Natura, so doch auf Fotos. Denn in ihnen zeigt sich der Berg der Berge einfach doppelt schön. Die Mischabelgruppe macht das Gleiche in einem namenlosen Schmelzwasserseelein auf der Moosalp zwischen Törbel und Bürchen. Das Seelein nennt Bettina Mattia zu Recht „Zaubersee“ – wirklich zauberhaft, wie sich Dom & Nadelhorn im letzten Abendlicht auf der glatten Oberfläche spiegeln. Das Foto bildet das Cover des Bildbandes, darin die in Brig-Glis lebende Wahlwalliserin 67 der über 230 Bergseen des Wallis auf je zwei Seiten mit grossen Fotos und kurzen, zweisprachigen Texten porträtiert. „Bergseensucht“ heisst dieses Buch – ein genialer Titel, nicht wahr?

Bergseensucht definiert Bettina Mattia so: „Widerfährt einem, wenn man innerhalb von drei Sommermonaten mehr als fünf Bergseen im Kanton Wallis erwandert. Liebesgefühl, das sich unaufhaltsam im Körper und der Seele des Menschen einnistet.“ Bei ihr haben sich solche Emotionen erstmals am Lac de Mont d’Orge offenbart. Selbstverständlich hat die Bergseefee das versteckte Kleinod ob Sion in ihr Wasserwerk aufgenommen. Damit wir nun mit unserer entfachten Seensucht nicht plötzlich auf dem Trockenen bleiben, gibt es zu jedem der 67 stillen Gewässer einen QR-Code, dank dem wir sofort auf map.geo.admin.ch eintauchen. Die Ferien im Wallis können gebucht werden.

Und was nehmen wir mit als Lektüre? Drei Vorschläge. Hautnah passend zur Seen- und Seelenverwandten Bettina das Tagebuch des Wallisers und Wahlgenfers Guy Mettan. Der Journalist und Politiker ist in den Sommern 2019 und 2020 in 55 Etappen durch das Wallis gewandert, von Saint-Gingolph auf der linken Talseite hoch zum Nufenenpass und auf der rechten zurück nach Collonges. „Jeden Abend schrieb ich das Protokoll des Tages. Oft aus keinem anderen Grund als dem Vergnügen, das Vergnügen und manchmal auch den Schmerz des Gehens zu bemerken, auf und ab, auf und ab ad infinitum.“ Das Tagebuch liegt jetzt vor: „Le monde à deux mille mètres. Journal d’un voyageur des cimes“. Nochmals Guy Mettan: „In diesem Sinne war diese Umrundung des Wallis auf der Höhe der Gipfel, an der Grenze des Waldes und des Hochgebirges, wo Leben und Sauerstoff im Überfluss vorhanden sind und menschliche Sorgen selten sind, eine Verzauberung“. Zwei Bemerkungen seien erlaubt: „voyageur des cols“ wäre ein besserer Untertitel gewesen, da die Gipfel zwar am Weg liegen, aber nur selten überschritten werden. Und: Der Berg, der den Weitwanderer im Taleinschnitt des Goms beeindruckt, heisst Weisshorn und nicht, wie er schreibt, Dent Blanche.

Nächster Vorschlag für Wallisurlauber: „Wandern, wo andere forschen.“ Der rundum gewichtige Führer behandelt auf acht Touren im Ober- und Mittelwallis die Themen Gletscherlandschaft, Waldbeobachtung, Trockenheit, Waldbrand, Siedlungsentwicklung, Murgang und Steinschlag, Lawinen sowie Jahrringe. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL befasst sich in dieser Region seit dreissig Jahren mit Lebensräumen und Naturgefahren und gibt nun entlang von leichten Wanderungen faszinierende Einblicke in ihre wichtige Arbeit, gerade in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels. Hintergrundinfos zu einzelnen Tier- und Pflanzenarten von Arve über Mistel und Waldgärtner bis Ziegelmelker (ist ein Vogel) ergänzen den umfassend bebilderten Führer. Das ausführliche Register hilft bei der Themensuche. Mehr noch: Das Sachbuch lohnt sich auch für eine Reise in eine andere Bergregion, ja sogar bestens fürs Zuhausebleiben.

Der letzte Buchtipp beinhaltet, wie dem Titel „The Little Swiss Ski Chalet“ unschwer zu entnehmen ist, eher leichtere Kost. Aber die perfekte Lektüre, um am Geschinersee oder am Lac de Derborence einen Sommernachmittag zu verbringen. Mina Campbell liebt leckeres Essen und gesellige Dinner mit Freunden. Kein Wunder, immerhin arbeitet sie in einer Testküche und probiert ständig neue Kreationen aus. Ein Rezept gegen Liebeskummer hat sie allerdings nicht gefunden. Im ersten Teil von Julie Caplins Roman wird Minas Herz und Job gebrochen. Für eine Auszeit reist sie zu ihrer Patentante, die eine feine Pension in Reckingen betreibt. Mina blüht auf. Vor allem die Schweizer Küche hat es ihr angetan, zum Beispiel die Basler Kirschenbrottorte (das Rezept ist abgedruckt) – wer braucht da schon einen Mann, um glücklich zu sein? Wäre da nicht der charmante Luke Love, der Mina das verschneite Wallis von seiner romantischen und sportlichen Seite zeigt, auf Skiabfahrten am Eggishorn und Langlauftouren durchs Goms.

Bettina Mattia: Bergseensucht. 67-mal auftauchen, eintauchen und abtauchen. Mattia matters GmbH, Glis 2020. Zweisprachig Deutsch & Französisch. Fr. 39.- Zu bestellen bei www.bergseefee.ch. Erhältlich auch in den ZAP-Filialen des Wallis (Brig, Visp, Zermatt) und bei Piz, Buch & Berg in Zürich.

Guy Mettan: Le monde à deux mille mètres. Journal d’un voyageur des cimes. Éditions Slatkine, Genève 2021. Fr. 32.-

Christine Huovinen, Thomas Wohlgemuth: Wandern, wo andere forschen. Ober-und Mittelwallis. Haupt-Verlag/Eidg. Forschungsanstalt WSL, Bern 2021. Fr. 38.-

Julie Caplin: The Little Swiss Ski Chalet. Harpers Collins Publishers, London 2021. Fr. 16.50. Im Oktober 2021 erscheint das Buch bei rororo auf Deutsch: Das kleine Chalet in der Schweiz, als Band 6 in der Reihe Romantic Escapes.

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