Walliser Wege

Das Wallis polarisiert, man muss es einfach gern haben. Zwei Bücher mit Wanderungen durch Weinberge, Bücherdörfer, den Suonen entlang oder hardcore aufs Matterhorn und 299 weitere Gipfel zu Fuss ab Bahnhof Brig. Oder dann auf den Spuren des Dichters Maurice Zermatten, der einst die Spaltung des Schweizer Schriftstellerverbandes provozierte. Wie gesagt, das Wallis… ist halt das Wallis.

Sentiers valaisans

Nennt mir das Land, so wunderschön,
das Land, wo ich geboren bin,
wo himmelhoch die Berge stehn
und Mannskraft wohnt bei schlichtem Sinn.

So beginnt die fünfstrophige Walliser Landeshymne „Nennt mir das Land“. Den Text schrieb der katholisch-konservative Walliser Politiker und Dichter Leo Luzian von Roten (1824-1898), der seinen Kanton auch im Ständerat vertrat. Die Musik stammt vom gebürtigen Württemberger Ferdinand Otto Wolf (1838-1906), seines Zeichens Professor für Musik und Naturgeschichte in Brig und Sitten, Organist der dortigen Kathedrale, Gründer des Kathedralchores, Botaniker, Träger des Walliser Ehrenbürgerrechtes – und Mitglied der Sektion Monte Rosa des Schweizer Alpen-Club. Während von Roten die Berge seiner Heimat eher von unten betrachtete und beschrieb – sein letztes Gedicht heisst „An das Bietschhorn“, tat sich Wolf auch als – botanisierender – Bergsteiger hervor. Seine Berichte veröffentlichte er im „Jahrbuch des Schweizer Alpenclub“.

Wer nun durch „das Land am Rhonestrand“ (aus dem Refrain der Hymne) streifen möchte, kann den neu aufgelegten, grossen und querformatigen Bildbandführer „Sentiers valaisans. Au carrefour des Alpes et de l’histoire“ von François Perraudin zur Hand nehmen. Darin stellt der schreibende und fotografierende Bergführer sieben mehrtägige Wanderungen im Wallis vor: les balcons du Rhône, die Via Stockalper und die Suonen des mittleren bzw. des oberen Wallis in je zwei Tagen, eine kleine Runde am Grossen St. Bernhard und die Spurensuche nach Maurice Zermatten in je drei Tagen. Sowie erstmalig eine dreitägige Wanderung durch die Rebberge des Unterwallis bis zum Rhoneknie und dort einen Rundkurs durch Naturschutzgebiete. Genau die perfekte Frühlingstour! Im Sommer ist es zu heiss, erst im Spätherbst lockten die Sonnenhänge wieder zum Begehen. Aber will jetzt schon an den Herbst denken?

Also: Ab nach St-Pierre de Clages, wo die knieschonende Weinwanderung beginnt. Das Dorf im Talboden ist bekannt für seine frühromanische Kirche – und für seine zahlreichen Buchantiquariate. St-Pierre de Clages ist nämlich auch das einzige Schweizer Bücherdorf. Eine der zahlreichen Veranstaltungen findet am Samstag, 5. April, statt. Vier Autoren stellen ihre bemerkenswerten (Berg)bücher vor: Charly Wuilloud „Adieu glaciers sublimes“, Henri Rougier „La Suisse et ses paysages“, Hilaire Dumoulin „Glaciers – du Rhône au Mont-Blanc sous le même angle“ und Robert Bolognesi „Estimer et limiter le risque avalanche“. Wer an dieser Veranstaltung teilnimmt oder zu viele Bücher findet, wird die erste Etappe von St-Pierre de Clages bis Saillon nicht schaffen – fünf Stunden macht man kaum zwischen Zvieri und Apero bzw. mit einem schweren Bücherrucksack.

Stern-Stunden im Wallis

Apropos gewichtige Bücher: Der Perraudin ist auch nicht wirklich rucksacktauglich. Schon eher wird man ihn zuhause studieren und seine wandertouristischen Infos kopieren. Ein anderes Wallis-Buch kann man hingegen getrost in den Rucksack stecken: „Stern-Stunden im Wallis – 300 Gipfel von Brig aus und (k)ein bisschen weiser“ von Eugen Brigger. Der Lehrer an der Berufsfachschule Visp hat seit 2008 ein Gipfelprojekt, bei dem er Berge vom Bahnhof Brig aus zu Fuss besteigt, „in einem Zug, aber nicht im Zug“. Aus den anfänglich geplanten 100 Gipfeln sind inzwischen 300 geworden, unter ihnen auch das Matterhorn. In seinem 176seitigen, schön bebildertem Tourenbuch schreibt er über die besonderen Gipfelgänge, die meist mit stundenlangem Anmarsch durch die Nacht beginnen.

Ob Brigger bei seinen Eilbesteigungen jeweils Musse findet, die Walliser Landeshymne zu singen? Oder zu summen? Wenigstens den Refrain, wenn es wieder mal los geht „vom Bahnhof Brig dem linken Rhoneufer entlang“:

Vallée où le Rhône a son cours,
Noble pays de mes amours,
C’est toi, c’est toi, mon beau Valais !
Reste à jamais, Reste à jamais, Pays de mes amours !

François Perraudin: Sentiers valaisans. Au carrefour des Alpes et de l’histoire. Éditions Slatkine, Genève 2013, Fr. 79.-
Eugen Brigger: Stern-Stunden im Wallis. 300 Gipfel von Brig aus und (k)ein bisschen weiser. Curamont-Verlag, Bad Reichenhall 2013, Fr. 17.90, www.curamont.de, www.berge-wallis.org
www.village-du-livre.ch

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