Wandern in der Stadt Zürich

Rom sei auf sieben Hügel gebaut, Zürich soll allein im Süden der City sieben solche haben. Ist da wohl die Saffainsel mitgezählt, 1 müZs hoch? Jedenfalls sind für passionierte und werdende Stadtwanderer noch allerhand Geheimnisse zu entdecken in und um die dank einer gestarteten Volksinitiative zukünftige Hauptstadt der Schweiz – und in ihrem Wilden Westen, dem geliebten Üetli.

»Der tosende Sturm hat sich gelegt, nur der Gipfel steckt noch in einem Wolkenkragen. Wir zaudern nicht lange und brechen auf. Die Route wird nochmals mit Karte und GPS überprüft, die Atemgeräte festgezurrt und dann geht alles erstaunlich schnell. Über den Plattenvorbau am Westpfeiler queren wir durch das Gipfeleisfeld gegen den Hohensteinquergang. An der Einstiegsstelle deponieren wir in einer kleinen Kluft unsere Testamente und steigen vorsichtig, aber zügig dem eisfreien Gipfelgrat entgegen. Genau um 12 h 24 stehen wir auf dem Gipfelplateau. Erschöpft, aber überglücklich streckt Susanne stolz die Fahne gen Himmel. Tränen der Freude gefrieren unter unseren Masken. Wir haben es geschafft. Als erste Menschen überhaupt haben wir den Üetliberg mit Sauerstoff bezwungen.« Die Leistung von Susanne Maier und Thomas Hürzeler, festgehalten im Expeditionstagebuch Who the fuck is Reinhold Messner? Bericht von der Erstbesteigung des Üetlibergs. Mit Sauerstoff, ist gewiss von größtem alpinistischem Wert.
Maier und Hürzeler sind allerdings nicht die ersten Bergsteiger, die sich mit dem Uetliberg auseinandersetzten. 1837 etwa stieg Gottfried Keller auf den Berg und hinterließ uns in Eine Nacht auf dem Uto einen deutlichen Beleg für die alpinistischen Herausforderungen hoch über Zürich: »Durch dornichtes Gesträuch und über steiles Gestein wand ich mich an der schwarzen Felswand den krummen Pfad hinauf, den Gipfel des alten, finstern Berges erstrebend. Furchtsam in meiner menschlichen Kleinheit blickte ich an wilden, himmelstürmenden Felsen umher und suchte ihr weltaltes einsam in die Lüfte ragendes Haupt; aber mein Blick ward irre ob der Größe, ob der düstern Majestät, ich schlug ihn nieder und wandte ihn seitwärts hinab; da gähnt’ ihm der schwarze Abgrund entgegen, der an des Pfades Seite sich hinabwirft. Ein fernes, unbestimmtes Tosen tönte aus der Tiefe zu mir herauf, vom Rauschen eines tobenden Waldstromes oder vom Sausen des schwarzen Tannenhorstes, in dessen verwitterten Wipfeln mein Auge tief unten sich verlor. Aber mir schwindelte, und ich mußte mich an der nächsten nackten Fichtenwurzel halten, um nicht hinabzustürzen in diesen grausigen Schlund. Ich klomm weiter und erreichte unter stetem Staunen und Starren das Ende des Weges; noch um die abgerissene Felsensäule herum, und ich war auf dem Gipfel des Berges. – Da stand ich allein in der Ungeheuern Höhe auf der öden Fläche.«
Dass mit dem Uetliberg (862,9 m) nicht zu spaßen ist, zeigte sich in aller Deutlichkeit keine drei Jahre später. Friedrich von Dürler, Sekretär der Zürcher Armenpflege und Naturforscher, hatte bereits den Glarner Tödi bestiegen, eine für die damalige Zeit ziemlich anspruchsvolle Angelegenheit, und galt deshalb mit Fug und Recht als erfolgreicher Alpinist. Dieser Dürler also wollte 1840 nach einem Trinkgelage auf dem winterlichen Uetliberg Richtung Stadt absteigen – mit nichts als einem Stock ausgerüstet. Und zwar über die Holzschleife, eine vereiste Rinne, die als Rutsche für Baumstämme diente. Dabei verlor der 35-Jährige die Kontrolle und stürzte über eine Felsstufe hinab. »Am Fuße derselben fand man ihn todt mit eingestürzter Hirnschale«, berichteten mehrere Zeitungen. Was für ein Schicksal: den Tödi gemeistert, am Uetliberg gescheitert.

Schicksale einst und heute am Uetliberg. Von Susanne Maier und Thomas Hürzeler lese ich hier zum ersten Mal. Gottfried Keller hingegen ist mir schon begegnet, von Dürlers Sturz habe ich in Emil Zopfis Bergmonografie über den Tödi erfahren, und wer kennt Reinhold Messner nicht? Ob er auch schon die wilden Routen an Zürichs vielfältigstem Hausberg begangen hat? Vielleicht würde er staunen. Wir jedenfalls tun es, wenn wir uns Marco Volken anvertrauen. Er hat nämlich den wilden Westen der Stadt Zürich erkundet und ihn für uns beschrieben, und zwar für das Buch „Wandern in der Stadt Zürich“, das er zusammen mit Ursula Bauer und Jürg Frischknecht verfasst hat. Mehr noch: Er hat alle neuen Fotos der 16 zwei- bis sechsstündigen Touren und der vielen Seitenblicke gemacht. Und dabei Winkel der Stadt Zürich entdeckt, welche – die Behauptung sei gewagt – nicht viele Bewohner der Stadt kennen werden. Am Uetli so wenig wie am Züriberg oder auf den sieben Hügeln im Süden der City. Ein Buch, das von nun an immer in die Freitag-Tasche gehört, wenn wir nach Zürich reisen. Oder dort schon wohnen.

Heute Dienstag, 3. Juli 2012, wird das Buch aus der Tasche gezogen:
18 Uhr: Feierabendspaziergang mit Ursula Bauer und Jürg Frischknecht zur Ziegelhütte; Treffpunkt Bergstation Seilbahn Rigiblick.
19.15 Uhr: Begrüssung, Foto-Session mit Marco Volken, Apéro in der Wirtschaft Ziegelhütte, Hüttenkopfstr. 70, 8051 Zürich.
20.15 Uhr: Wandermenü (vegetarisch, Fr. 28.–, Anmeldung erforderlich unter www.rotpunktverlag.ch).

Ursula Bauer, Jürg Frischknecht, Marco Volken: Wandern in der Stadt Zürich. Mit Fotos von Marco Volken. Rotpunktverlag, Zürich 2012, Fr. 39.-

2 Gedanken zu „Wandern in der Stadt Zürich

  1. Gibts zum Buch „Wandern in der Stadt Zürich“ (Super Buch mit super Fotos!) keine GPS-Daten?

  2. GPS-Daten gibt’s (leider noch) keine. Mit den im Info-Kapitel angegebenen Karten lassen sich die Routen aber bestens finden. Die eine Karte ist bei der Stadt sogar gratis erhältlich (www.stadt-zuerich.ch/content/ted/de/index/stadtverkehr2025/online/downloads.html)! Viel Spass unterwegs, Marco

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