Weitsicht statt Rückblick

Der gedankliche Jahresrückblick muss warten. Wir sind damit beschäftigt, den Schnee zu testen. Abermals mit den Schneeschuhen. Zum Jammer des einen, zur Freude der anderen. © Annette Frommherz spilauer-12-2011-1

Manchmal ist Schweigen angesagt, weil die Stille nach Ruhe verlangt. Wie hier oben über dem Spilauersee, wo wir rasten. Der Schnee hat sich wie ein dicker Teppich auf Matten, Hänge und See gelegt und tut sich dieser Tage wichtig. Mit der Schaufel hat mein ständiger Begleiter ein hübsches Schneebänklein mit Rückenlehne gebastelt, so dass wir uns bequem Richtung Sonne setzen können. Wir kauen das fünf Tage alte Brot, das wir mit der Taschensäge in Scheiben zerlegt haben, und schieben rezenten Käse nach. Der heisse Most trinkt sich in dieser Winterkulisse wie Honigwein.

Wir sitzen also auf diesem herrlichen Hügel wie Könige auf dem Thron, nachdem wir vom urnerischen Riemenstaldner Tal her mit der Freiluftbahn in die Höhe bugsiert worden sind. Links von uns hätte uns zwar die Lidernenhütte willkommen geheissen, aber wir wollten uns die Füsse vertrampen und nach dem Hund- und Rossstock schauen, die unsere winterliche Wanderung von oben herab begutachten.
Gedanken flattern in meinem Kopf. Es ist unabdingbar, sie auf Papier bringen zu können, aber meine Schreibutensilien langweilen sich im Augenblick im Handschuhfach meines Autos. Mein Partner übergibt mir betont nebenbei seinen Schreibblock und den Kugelschreiber. Beides trägt er stets mit sich, bergauf und bergab. Er benötigt das Schreibzeug allerdings nicht für literarische Kritzeleien, sondern für Pragmatischeres. So steht da zum Beispiel geschrieben: ‚Exakt N 500 m bis 2’590 m’ oder ‚55° 1 km bis 2’340 m (15 Min.)’. Tönt interessant. Mir fehlt allerdings etwas Prosaisches, Lyrisches.

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Weit hinter uns donnern Lawinen zu Tal, die sich von den Südhängen gelöst haben. Vor uns mehren sich die Jauchzer der Skitourenfahrer, die die Hänge mit Schlangenlinien verzieren. Mein Liebster blickt neidisch hinüber.
Ist es schlimm, frage ich. Es ist etwa so, sagt er, wie wenn du bei 30° im Schatten in der Badi hockst und du hast die Badehose vergessen. Der Arme. Gestern noch waren wir mit den Schneeschuhen auf dem Wildspitz. Auch das hat er still geduldet. Morgen, verspreche ich ihm, morgen packen wir endlich die Skier.

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