Zwischen Bürgenberg und Titlis

Der Bürgenstock am Lake Lucerne wird wieder begehbar. Im Reisegepäck ein traditioneller Führer und eine literarische Spurensuche.

«Besonders in den 1950er-Jahren erlebte der Bürgenstock viel Glamour und Prominenz. Audrey Hepburn heiratete Mel Ferrer 1954 in der kleinen Kapelle aus dem 19. Jahrhundert. Die beiden besuchten den Bürgenstock auch in den folgenden Jahren immer wieder, genauso wie Sophia Loren und ihr Mann Carlo Ponti sowie in den 1960er-Jahren Sean Connery, der damalige James-Bond-Darsteller. Heute weisen Plaketten an den verschiedenen Häusern des 2017 neu eröffneten Resorts auf die berühmten Gäste und die illustre Geschichte des Bürgenstocks hin.»

Schon bald hängen dort bestimmt neue Plaketten, die an die hochrangige Friedenskonferenz vom 15. und 16. Juni 2024 erinnern. Als Melanie Gerber ihre „Lieblingsplätze rund um den Vierwaldstättersee“ auswählte und beschrieb, war der Summit on Peace in Ukraine auf dem Bürgenstock noch kein Thema. Jetzt besuchen wir erst recht mal diesen berühmten Gipfel am Lake Lucerne. Der Bürgenstock hat die Nummer 39 erhalten. Die 80 Plätze verteilen sich so: Je 20 in Luzern, Unterwalden, Uri sowie Schwyz und Zug. Obwalden und Zug haben keinen Anteil am Lac des Quatre-Cantons, gehören aber durchaus zur Region zmitts ir Schwyz. Und da gibt es eben einiges zu entdecken: Zum Beispiel die Festung Fürigen im Bürgenberg. So nennt man den zehn Kilometer langen Gebirgsrücken zwischen Ennetbürgen im Osten und Stansstad im Westen; sein höchster Punkt heisst (1128 m)  Bürgenstock – wie das Resort. Genau über den mittleren Teil des Rückens verläuft die Kantonsgrenze LU-NW.

«In den folgenden Wochen achte ich auf die Grenze zwischen Nidwalden und Obwalden, doch es ist schwierig, den einen Kanton zu erkunden ohne in den anderen zu stolpern. Selbst der markante Gebirgszug zwischen den beiden Tälern ist keine zuverlässige Schranke. Ich steige in Obwalden in eine Seilbahn, schwebe auf halbe Höhe eines Berges hinauf und steige in Nidwalden aus, wo sich die scharfen Kanten des schneebedeckten Gipfels gegen einen weissen Himmel abheben.»

Nun, ganz so schwierig ist es im Allgemeinen nicht mit der unterwaldnerischen Halbkantonsgrenze, ausser dort, wo die Exklave Engelberg (OW) tatsächlich für überraschende Grenzübertritte sorgt, bei den Seilbahnfahrten Richtung Titlis oder nach Brunniswald. Das Zitat stammt von Shelby Stuart, einer transdisziplinären Künstlerin und Autorin mit einem Masterabschluss an der Zürcher Hochschule der Künste. In ihrem zweisprachigen Buch „Schwyz. Uri. Unterwalden“ unternimmt sie 21 Wanderungen durch die drei Gründungskantone der Schweiz, um den Landschaften zu begegnen, die sich hinter den gängigen Klischees verbergen. Mit jeder Entdeckung eines Kantons erscheinen die anderen in einem anderen Licht, mit jedem Textabschnitt werden Berge und Wiesen, Orte und Begegnungen neu wahrgenommen und gedeutet. Scheinbar leicht und locker hingesetzt, und plötzlich taucht hinter den Zeilen mehr auf, als man zuerst gelesen und gedacht hat. Passende Lektüre für ein paar sommerliche Sonnenstunden am Vierwaldstättersee. Auch an demjenigen im Zoo Berlin. Denn der vielarmige See zwischen Affen- und Elefantenhaus heisst wie der viertgrösste See der Schweiz.

Melanie Gerber: Lieblingsplätze rund um den Vierwaldstättersee. Gmeiner Verlag, Meßkirch 2024. € 17,00.

Shelby Stuart: Schwyz. Uri. Unterwalden. Zweisprachige Ausgabe. Translated from the English by Beatrice Minger. Mit einem Nachwort von Christian de Simoni. Edition Taberna Kritika, Bern 2024. Fr. 18.- www.shelbylstuart.com

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