Eiger, Eiger, Eiger …

Kampf und Tod am Eiger und anderswo. Auch Frauen sind dabei. Und der legendäre Aleister Crowley, der dem sicheren Lawinentod in der Matterhorn Nordwand auf obskure Weise entrinnt. Gegenüber den Helden der besprochenen Apinthriller wirken Hekmair und Steck geradezu brav. Obwohl ja eigentlich die Realität die Fiktion überholen sollte. Nun, Crowley hat wirklich gelebt. Und auch ein paar andere. Oder leben immer noch. Danke, Daniel, für die heissen Buchtipps für kalte Nächte am Berg oder im Bett.

“Is that you, Almer?” she cried.
“Ja! Hilfe mich!”

Ein spannungsgeladener, sprachlich allerdings nicht ganz korrekter Dialog während der Erstdurchsteigung der Eigernordwand. Aber da war doch keine Frau dabei, im Juli 1938! Der Grindelwalder Almer kletterte auch nicht mit, und er hätte schon gar nicht so um Unterstützung gerufen, wenn überhaupt. Doch der Eiger und seine Nordwand sind halt bis heute für Geschichten gut, reale und fiktive. Alex Roddie, writer of historical and mountaineering fiction, hat einen Roman um zwei bekannte britische Alpinisten verfasst, um Owen Glynne Jones (1867–1899) und Aleister Crowley (1875–1947): „The Only Genuine Jones“ ist der Titel des Buches. Die beiden Helden kämpfen gegeneinander: um Erfindung und Vertrieb von gebirgstechnischem Material (Steigeisen, Pickel), um schwierige Routen in Schottland und in den Alpen, um Frauen. Mit dabei bei diesem Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen oben und unten sind andere bekannte Bergsteiger aus der Zeit um 1900, wie Oscar Eckenstein, Norman Collie oder Harold Raeburn. Elspeth Mornshaw jedoch, die dem leidenden Almer zu Hilfe kommt, und ihre Gegenspielerin Rachel Elliot sind erfunden. Genauso wie Thomas Holdstock und Simon Barkis, denen im Juli 1896 die Erstdurchsteigung der Matterhorn-Nordwand gelingt, während der ihnen eilig nachsteigende Crowley von einer Lawine mitgerissen wird – und auf obskure Weise überlebt.

Colin Wells nennt in „Who’s who in British Climbing“ Aleister Crowley „one of the more memorable characters of British mountaineering history – for all the wrong reasons“. Owen Glynne Jones hingegen tituliert er als „the first climbing superstar“. 1898 veröffentlichte Jones einen Kletterführer für den englischen Lake District, worin er eine vierstufige Schwierigkeitsskala einführte, im Jahr darauf stürzt er am Ferpèrclegrat der Dent Blanche tödlich ab. Das gleiche Schicksal ereilt ihn auch fast am Ben Nevis, doch Elspeth kann seinen Sturz halten: „I thought that was the end for both of us.“ Am Schluss des Romans steht Jones am Fuss der Nordwand, Hand in Hand mit Rachel. „Above them, the Eiger smiled in sunshine, a thing of beauty once again.“

Einmal mehr: Der Eiger steht am Anfang des alpinen Thrillers „Assassinio sul K2“ des slowenisch-italienischen TV-Journalisten, Schriftstellers und Alpinisten Dušan Jelinčič. „Nella prime ore del mattino la giovane cordata inglese attaccò la possente parete nord dell’Eiger, nelle Alpi Bernesi.“ Im Todesbiwak, das Walt, Richard und Bruce in der Abenddämmerung erreichen, treffen sie auf die pakistanischen Alpinisten Rajiv und Aftab. Schon während des Biwaks kommt es zu Unstimmigkeiten, und weiter oben, während des obligaten Wettersturzes, gar zu dramatischen Szenen, in denen ein Engländer auf brutale Weise stirbt. In der Folge werden die beiden Pakistani des Mordes angeklagt – total ungerechterweise. Was aber nur den Auftakt für mörderische Handlungen am K2 bildet. Denn nicht nur Walt ist am zweithöchsten Gipfel der Welt unterwegs, sondern auch Rajiv. Ein Buch wie gemacht für unruhige Nächte auf der Kleinen Scheidegg oder in einem Basislager. „Quel maledetto Eiger!“ lesen wir auf Seite 121.

Dieser verfluchte Eiger! Das wird sich vielleicht auch mal Anderl Heckmair gesagt haben, bevor ihm im Juli 1938 zusammen mit Wiggerl Vörg, Fritz Kasparek und Heinrich Harrer endlich die so vehement angestrebte erste Durchsteigung gelang. Die spanische Bergzeitschrift „Desnivel“ lässt in ihrem Oktoberheft diesen Exploit und die Folgen auf 16 Seiten wieder aufleben: „Norte del Eiger. 75 años de la vía Heckmair“. Passend dazu das sechsseitige Interview mit Ueli Steck: „Es increíble cómo la escalaron en 1938. Era el último gran desafío de los Alpes, fue una aventura enorme.“

Das Eigerabenteuer geht immer weiter, auch zwischen Buchdeckeln. Und am Bildschirm: Wer eines der letzten anschauen will, klickt sich ein mit www.srf.ch/player/tv/sommer-challenge/video/wingsuit-–-der-sprung-am-eiger?id=1ca030ca-c3c3-4bf7-bbd7-a78c20926d31. Aber bitte nicht nachahmen!

Alex Roddie: The Only Genuine Jones. FeedARead Publishing, 2013, Fr. 15.90.
Dušan Jelinčič: Assassinio sul K2. Nella maledizione del male. Vivalda Editori, I Licheni 106, Torino 2012, € 17.00.
Desnivel. N° 327, Octubre 2013. Erhältlich bei Piz Buch & Berg in Zürich, www.pizbube.ch.

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