An Ostern in den Süden, auch wenn der Wetterbericht für Ascona nicht unbedingt sonnig ist? Gehört offenbar alljährlich dazu, muss aber nicht unbedingt sein. Wer trotzdem Tessinluft schnuppern möchte: Hier vier neue, ganz unterschiedliche Bücher zum Ticino.
«Die heutige Etappe hält ein Schlemmermenü bereit: sieben aneinandergereihte Dreitausender, die man grösstenteils über Grate erreicht. Diese und die gestrige Teilstrecke der Via Crio bilden das Herzstück der Route, von hier aus zieht sie sich nach Süden und nach Norden. Zusammen mit der neuen Verbindung von der Capanna Adula zum Rifugio Scaradra sind das die wichtigsten neuen Möglichkeiten, die das Trekking bietet.
Auch ihren Namen hat die Via Alta Crio von hier: crio kommt von griechisch kyros, ‹Kälte, Frost, Eis›. Auf Eis werden wir auf der heutigen Etappe stossen, ohne es begehen zu müssen, während je nach Fortschreiten der Jahreszeit noch Schnee liegen könnte.»
Auf dem jüngsten und höchsten Tessiner Höhenweg liegt an Ostern natürlich noch viel zu viel Schnee, an Pfingsten wohl immer noch. Doch mit dem grossartigen Bildbandführer «Via Alta Crio. Sfiorando i ghiacci a fil di cresta/Auf Graten und in eisigen Höhen» von Marco Volken (Foto) und Cindy Fogliani (Text) können wir schon mal diese neue Herausforderung für Alpinwanderer auf der Alpensüdseite hautnah erleben. Insbesondere die 250 Farbfotos zeigen uns, wie schön und streng das Trekking von der Capanna Brogoldone hoch oberhalb Bellinzona bis zum Lukmanierpass sein wird. Die in mehrjähriger Arbeit erstellte und im Herbst 2023 eröffnete Via Alta Crio geht über den schier unbegehbaren Rücken zwischen Riviera und Valle di Blenio im Westen und Val Calanca im Osten: gut 100 km, zahlreiche Pässe und dreizehn Gipfel – der höchste ist der Puntone dei Fraciòn (3202 m), zehn Hütten, wobei das Bivacco Piano delle Parete extra für die neue Via altissima erstellt wurde. Die Hütte ziert auch das Cover des 270seitigen Buches, das zum Mitnehmen zu schwer und gross ist. Die technischen Infos und die Kartenausschnitte finden sich ebenfalls hier: www.viacrio.ch.
Auf der fünften Etappe der Via Alta Crio kommt man beim Abstieg zur Capanna Adula UTOE am Laghetto dei Cadabi vorbei, auf der neunten beim Abstieg zur Capanna Bovarina am Lago Retico. Beide Bergseen hat Daniele Maini in seinen Führer «Meraviglie d’acqua tra le vette. Escursioni tra i laghetti alpini del Ticino» aufgenommen. Er beschreibt 29 Wanderungen zu Bergseen im nördlichen Tessin. Viele schöne Fotos machen gluschtig auf die Seetouren – bloss fehlt eine vom Baden! So bietet zum Beispiel der Lago d’Alzasca mit der gleichnamigen Hütte in der Nähe ein wein-see-liges Erlebnis par excellence. Und: Die Navigation im Buch fällt so leicht wie das Gehen auf überwucherten Tessiner Pfaden. Zudem ist die Luftbildkarte gewöhnungsbedürftig, die touristischen Angaben zu Anreise und Unterkunft sind etwas mager. Aber auf www.capanneti.ch/de findet man ja die nötigen Angaben. Zum Beispiel zur Capanna Pian di Crest am Südfuss des Basòdino; am 6. Juli 2025 findet das Fest zum 40. Jahrestag dieser Hütte der Società Alpinistica Valmaggese statt.
Wer dort mehr als feiern und baden (in den beiden Laghetti d’Antabia) möchte, schlägt «Tessin Rock» von Egon Bernasconi auf: «Piano delle Creste ist definitiv einer der faszinierendsten Orte in den Tessiner Bergen.» Der Autor stellt in seinem Führer insgesamt 98 Klettergärten im Tessin vor, insbesondere im Locarnese und im Valle Maggia (inklusive den Seitentälern), aber auch im Raum Bellinzona sowie im Sottoceneri. Also eher kurze Routen und nicht die hohen Kletterwände wie am Poncione d’Alnasca im Val Verzasca. In der ersten Auflage von 2021 waren es noch 69 Klettergärten gewesen. Die Zunahme zeigt einmal mehr, dass das Tessin definitiv viel mehr zu bieten hat als lauschige Grotti rund um den Lago di Lugano, als die überfüllte Promenade von Ascona oder den Ponte dei Salti in Lavertezzo.
Und was machen wir, wenn die Verhältnisse nicht zum Wandern, Klettern und Baden einladen, weder in der sogenannten Sonnenstube noch zuhause? Ganz einfach: Wir lesen in der Stube ein Buch – zum Tessin selbstverständlich. Mein Vorschlag: Die Erzählungen von Christian E. Besimo in «Das schweigende Tal. Eine Spurensuche». Der erste Teil ist mit «Suchen» überschrieben, der zweite mit «Finden». Mit dem Tal ist das Val Verzasca gemeint, die Hauptfigur heisst Matteo. Die Erzählung «Fährtensuche» beginnt so:
«Matteo hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die verbliebenen Spuren der grossartigen alpinen Kulturlandschaft im südlichen Tal zu dokumentieren und so vor der Vergessenheit zu bewahren. Mit dem Verfall der Maien- und Alpsiedlungen verschwanden auch die Saumwege. Die Wälder eroberten sehr rasch zurück, was sich die Menschen über Jahrhunderte mühevoll und unter Einsatz ihres Lebens erkämpft hatten. Es war ein Wettlauf mit der Zeit.»
Marco Volken (Foto), Cindy Fogliani (Text): Via Alta Crio. Sfiorando i ghiacci a fil di cresta/Auf Graten und in eisigen Höhen. Salvioni Edizioni, Bellinzona 2024. Fr. 50.-
Daniele Maini: Meraviglie d’acqua tra le vette. Escursioni tra i laghetti alpini del Ticino. Fontana Edizioni, Pregassona 2025. Fr. 39.-
Egon Bernasconi: Tessin Rock. Klettergärten. Locarnese, Valle Maggia, Bellinzona, Moesano, Riviera mit Val di Blenio, Sottoceneri, Leventina. Versante Sud Edizioni, Milano 2024. € 38,00.
Christian E. Besimo: Das schweigende Tal. Eine Spurensuche. Erzählungen. Verlag edition bücherlese, Luzern 2025. Fr. 30.-