Emmental – Oberaargau – Entlebuch

Der Titel klingt schlicht, das Cover dieses Wanderführers prangt dafür in Rot fast wie ein Flugi zum 1. Mai. Aber den feiert man im Emmental wohl nicht. Auch wenn die Schriftsteller, deren Spuren die 50 Touren unter anderem folgen, zu ihrer Zeit viel Sozialkritik übten. Also Wanderstöcke gepackt, auf, ins Gotthelfland zum fröhlichen wandeln, bzw. wandern.

Emmental

„Dieses Tal, durch welches die Emme flieβt, bis sie in die Aare sich mündet, als das eigentliche Emmental, ist eines der schönsten und lieblichsten im Schoβe der Schweiz, und gar manches Kleinod des Landes erhebt sich auf den mäβigen Emmenhügeln und luegt freundlich über Land oder steht keck auf der Emme abgewonnenem Schachen oder Moosgrunde und erntet in reicher Fülle da, wo ehedem die Emme Steine gesäet und Steine gewässert.“

Ein kurzes Zitat eines Dichters, dessen lange Reihe von Romanen zum Emmental gehört wie die Löcher zum gleichnamigen Käse. Ja, Emmental ohne Gotthelf, das wäre wie Weimar ohne Goethe oder Stratford-upon-Avon ohne Shakespeare. Emmental ist Gotthelfland. Zentrum ist das Dorf Lützelflüh an der Emme, wo der am 4. Oktober 1797 in Murten geborene Albert Bitzius vom 1. Januar 1831 bis zum seinem Tod am 22. Oktober 1854 wirkte, als Pfarrherr, Schulinspektor, Armenpfleger und Sozialreformer. Und als Schriftsteller: 1836 erschien „Der Bauernspiegel“, sein erster Roman. Der Name der Hauptfigur, Jeremias Gotthelf, wurde sein eigener. Hier entstand das gewaltige literarische Oeuvre mit Titeln wie „Die Wassernot im Emmental“ (daraus das Einstiegszitat), „Anne Bäbi Jowäger“, „Käserei in der Vehfreude“ oder „Wie Joggeli eine Frau suchte“. In Sumiswald spielt „Die Schwarze Spinne“; in der Gaststube des „Bären“ steht noch immer der uralte runde Tisch, um den sich die Überlebenden der Pest-Epidemie trafen. Von Sumiswald, wo jeweils im Sommer der Gotthelf-Märit stattfindet, führte eine vierstündige Wanderung über das Schloss Trachselwald und den Spinner-Hügel ins Gotthelf Zentrum in Lützelflüh. Dorf findet sich diese Stelle aus einem Gotthelf-Brief: „Ich wandle zu Fuss und beneide englische und französische Schriftsteller nicht, welche zwei- und vierspännig fahren.“

Wer lieber wandelt als fährt, sich unterwegs vielleicht auf eine Uferbank oder in eine Gartenwirtschaft setzt, um Gotthelf zu lesen oder Carl Albert Loosli, der 1924 mit „Anstaltsleben“ die schlimmen Verhältnisse in der Jugendstrafanstalt von Trachselwald offenlegte, kann zu einem neuen Wanderführer mit Literaturtipps greifen. Mit Friedrich Dürrenmatt im Parkhotel Schloss Hünigen bei Konolfingen und mit Pedro Lenz auf dem Fussballplatz in Langenthal, mit E.Y. Meyer und Paul Wittwer auf den Eggen und in den Gräben am Napf, mit Peter Krebs am hochtannigen Bockshorn und mit Gustav Renker auf der löchrigen Schrattenfluh: Wer im Emmental und im benachbarten Oberaargau und Entlebuch zu Fuss unterwegs ist, begegnet nicht nur grünen Gefilden, hablichen Höfen und chüschtigen Käsereien, sondern eben auch Autoren von einst bis heute. Wandern kann ja etwas mehr sein als einen Fuss vor den andern setzen.

Im Städte-Viereck Bern, Interlaken, Luzern und Olten stellt der rucksacktaugliche Führer 18 blaue, 24 rote und 8 schwarze Wanderungen vor: verehrungswürdige Spaziergänge entlang der reformierten und der katholischen Emme, vergessene Pfade im Jura- und Napfgebirge, Kanäle hüben und drüben, Höger allerorts. Einer heisst Ankehubel. Ich versuchte ein „r“ hineinzusetzen, aber irgendwie fiel es in ein Loch.

Daniel Anker: Emmental mit Oberaargau und Entlebuch. 50 Touren. Rother Wanderführer, München 2015. Fr. 22.90.

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