Letzte Bergfahrt

Ein etwas skitrauriges Buch, das Hoffnung macht. Perfekt für die Fahrt ins nächste Jahr.

Orario di Servizio/Betriebszeiten
Servizio da/Betrieb ab 9.00
Ultimo corsa/Letzte Fahrt 16.00
Ultimo controllo piste/
Letzte Pistenkontrolle 16.15

Das verkündete die Anzeigentafel bei der Talstation des Skigebietes Confin beim Südportal des San Bernardino-Tunnels am 13. März 2019. Die Uhr auf der Tafel zeigte 10 vor 12. Das stimmte, als Uhrzeit. Aber eigentlich war bzw. ist es zehn nach zwölf. Denn das Skigebiet mit einer Gondelbahn, einem Sessellift, drei langen Skiliften, einem Kinderlift und einem Bergrestaurant ist seit dem Winter 2012/13 geschlossen. Ob die Lifte je wieder laufen werden, ist höchst ungewiss. Confin/San Bernardino ist ein LSAP – Lost Ski Area Project. Wie viele andere in der Schweiz (und überhaupt in den Bergen).

Dem Begriff LSAP war ich am 27. Februar 2017 zum ersten Mal begegnet, auf der Skitour auf den einst auch von Liften erschlossenen Erner Galen. Beim Gipfelkreuz zog ich, müde vom Aufstieg, die Felle ab und begann die Abfahrt – im Bruchharsch. Erst auf den breiten, gepfadeten Wegen rund um Chäserstatt machte das Skifahren Spass. Ich setzte mich auf die Sonnenterrasse des neuen Restaurant und notierte ins Tourenbuch Nr. 33: „Ein spannendes Projekt dort oben: Ausflugsbeiz und Seminarhotel, sehr schön gemacht, das Hotel in der ehemaligen Bergstation der Sesselbahn, sonnig, tolle Aussicht, starke Speisekarte.“ Im Restaurant drinnen lag ein Buch auf, das ich gleich kaufte und später mit dieser Notiz im Innentitel versah: „Am 27.2.2017 auf Chäserstatt/Ernengalen gekauft – der perfekte Ort. Man müsste dort oben das Buch lesen, bei einem Glas Weisswein zu Apéro und Abendsonne.“ Das Buch heisst „Aufgebaut, aufgegeben und ausgestorben. Verlassene Skigebiete in der Schweiz“, 2016 im Essener Klartext Verlag herausgegeben von Matthias Heise und Christoph Schuck. Es behandelt die Ex-Skigebiete Erner Galen und Hungerberg (je im Oberwallis) sowie Hospental bei Andermatt.

Nun haben die beiden alpenfernen Herausgeber – Christoph Schuck ist Professor für Politikwissenschaft und seit 2016 Dekan der Fakultät Humanwissenschaften und Theologie an der Technischen Universität Dortmund, Matthias Heise ist Dozent an der gleichen Uni – mit ihren sieben Mitarbeitern ihr hochinteressantes Buch im Zürcher AS Verlag neu und erweitert herausgegeben: „Letzte Bergfahrt. Aufgegebene Skigebiete und ihre touristische Neuausrichtung“. Neben den drei erwähnten Ex-Gebieten wird nun eben auch Confin bis zum obersten Masten untersucht, aus welchen Gründen genau dieses sonnige Skigebiete in der italienischen Schweiz seinen Pistenbetrieb einstellte.

Das ski- und tourismuswissenschaftliche Buch besticht aber nicht nur durch seine Analysen, sondern auch mit seinen alten und aktuellen Fotos, aufgenommen im Winter und Sommer. Da schwingt jeweils Melancholie mit, bei all den geschlossenen, abgebauten oder verwundenen Anlagen und Pisten, die einst voller Freude benützt wurden. Doch auf einer doppelseitigen Aufnahme kurvt ein Skitourenfahrer elegant und entschlossen unter den Skiliftmasten durch den Frühlingsschnee gegen die Alp Confin Basso hinab. Diese Bild wollen wir mitnehmen ins neue Jahr. In diesem Sinne: gute und gesunde Fahrt ins 2021.

Matthias Heise, Christoph Schuck (Hrsg.): Letzte Bergfahrt. Aufgegebene Skigebiete und ihre touristische Neuausrichtung. Vorwort von Daniel Anker. AS Verlag, Zürich 2020, Fr. 58.-

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