Nina, Sophie, Dani & Roger

Vier neue Bücher von und über vier Schweizer Topalpinisten und –alpinistinnen.

„Der einzige Weg geht da hoch!“

Sagte Nina Caprez (Jg. 1986), die beste Kletterin der Schweiz, als sie unten in der Verdon-Schlucht in Südfrankreich stand, in die sie sich von oben abgeseilt hatte. Nun musste sie wieder hinauf, kletternd; frei kletternd natürlich, gesichert von ihrer Freundin Mélissa Le Nevé. Durch die äusserst schwierige Route „Ultime Démence“ – die totale Vergessenheit. Nina schaffte den Durchstieg, als erste Frau. Ein Schlüsselerlebnis. Nun konnten die Routen noch schwieriger, die Wände noch höher, das Leben noch überraschender werden. Nina weiss es: „Der einzige Weg geht da hoch!“ Ein Umweg aber liegt immer drin.

Davon berichtet Dominik Osswald im Buch über Nina Caprez. Ein schön geschriebenes und gemachtes Taschenbuch über die Bündnerin, die in Grenoble wohnt und auf der ganzen Welt zuhause ist, wo es senkrechte Wände hat. Schwarzweisse Fotos von ihrer neuen Heimat wechseln ab mit solchen am Fels. Aufgehängt ist das Buch an einer gemeinsamen Reise der Kletterin und des Journalisten nach Libanon, wo Nina Caprez bei ClimbAID mitarbeitet, einer Hilfsorganisation, die mit einem Lieferwagen, der zu einer Kletterwand umfunktioniert wurde, Flüchtlingscamps und libanesische Dörfer entlang der syrischen Grenze aufsucht. Vom „Rolling Rock“ sind die Kinder begeistert. Nina Caprez: „Klettern ist nicht nur ein Sport, der Abenteuerlust befriedigt. Klettern kann mehr.“

Das würde Sophie Lavaud (Jg. 1968) bestimmt sofort unterschreiben. Auch wenn die schweizerisch-französisch-kanadische Dreifachbürgerin aus Lausanne nicht senkrechte bis überhängende Wände hochklettert. Sie steigt dafür hoch hinauf, ganz hoch. Seit 2012 hat sie acht Achttausender bestiegen, darunter auch die beiden höchsten, den Everest und den K2. Deshalb ihr Übername „Lady 64 000“; er dürfte sich noch ändern, denn Sophie ist eine Himalayistin mit sehr viel Herzblut. Davon erzählt sie zusammen mit Didier Chambaretaud im vor einer Woche erschienenen Buch „Une femme, sept sommets, dix secrets“ – der Erfolg am K2 vom 21. Juli 2018 hat sich noch nicht in Buchseiten niedergeschlagen. Dafür der Versuch von 2016, den der französische Bergführer, Eiskletterpionier, Verleger und Filmer François Damilano im preisgekrönten Film „Une journée particulière“ aufgezeichnet hat.

Steigen wir vom Dach der Welt hinab in andere Gebirge, in die Alpen, nach Kanada und Schottland, aber auch nach Alaska und Patagonien. Überall dort ist der Urner Dani Arnold (Jg. 1984) unterwegs, einer der besten (und schnellsten) Alpinisten der Schweiz. Rekorddurchstiege der Nordwände von Eiger, Matterhorn und Grandes Jorasses, der Eiskletterroute „Crack Baby“ an der Breitwangfluh bei Kandersteg, der „Carlesso“ in den Dolomiten. Atemberaubende Klettereiein, die einen das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das mit Petra Jörg verfasste Buch „Warum das alles? Rekorde & Reflexionen von Extremalpinist Dani Arnold“ taut es wieder auf, bis weitere haarsträubende, lehrreiche und humorvolle Abenteuer aufgetischt werden.

Die beste Kletterin der Schweiz, die Frau mit den meisten Achttausendern, der schnellste Alpinist. Da fehlt noch der Schweizer, der sich einem der berühmtesten Gipfel des Landes mit Haut und Haaren verschrieben hat. Es ist Roger Schäli (Jg. 1978), und sein Berg ist der Eiger, genauer: die Nordwand. Da kennt der Entlebucher fast jede der über 30 Routen, ein paar hat er auch selbst eröffnet. Ein 80-seitiges, toll illustriertes Magazin widmet sich der Eiger-Passion von Roger. Ein ganz starkes Heft über die vertikale Arena. Und über die Faszination Klettern.

Überlassen wir das Schlusswort Nina Caprez: „Ich habe für mich das Klettern nie in Frage gestellt. Ich behaupte: Wenn es morgen mit mir zu Ende sein sollte, meinetwegen durch einen Kletterunfall, ich würde retrospektiv nichts anders machen. Denn ich weiβ, was es mir gegeben hat und dass ich nur auf diesem Weg werden konnte, wer ich bin.“

Dominik Osswald: Nina Caprez. Sportkletterin. Höhlenforscherin. Wahlfranzösin. kurz & bündig Verlag, Frankfurt a.M./Basel 2019, Fr. 14.-
Sophie Lavaud & Didier Chambaretaud: Une femme, sept sommets, dix secrets. Éditions Favre, Lausanne 2019, Fr. 29.-
Dani Arnold & Petra Jörg: Warum das alles? Rekorde & Reflexionen. Eigenverlag 2018, Fr. 39.- www.daniarnold.ch/buch
Roger Schaeli & Evelyn Imfeld-Ming: Passion Eiger. Deutsch und Englisch. Entlebucher Medienhaus, Schüpfheim 2018, Fr. 18.50.

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