Schön hier oben!

Modische Kulisse für mörderisches Geschehen oder menschliche Abgründe in wundervoller Berglandschaft. Einst glaubte man an den bessern Menschen im Gebirg – vielleicht ist er auch nur der raffiniertere Mörder. Bergkrimis haben Konjunktur. Hier eine Ladung Spannung für die langen Winterabende.

„Tobs saß auf dem kleinen Gipfelplateau der 3089 Meter hohen Zsigmondyspitze und wartete auf Phil, der zwanzig, dreißig Meter tiefer die letzten Schwierigkeiten bewältigte. Eine ähnliche Perspektive musste Phil eigenommen haben, während Peter Henning heraufgeklettert kam. Und dann war etwas passiert, ein Unfall oder ein Mord, aber im Anblick der wundervollen Berglandschaft, die ihn umgab, (…) wollte er von Mord nichts mehr wissen. Es war einfach nicht möglich.“
Und ob es möglich war! Alpen- und Bergkrimis wachsen wie die Bücherberge auf den Ladentischen der Buchhandlungen zur Adventszeit. Oft dienen die Höger freilich nur als modische Kulisse für mörderisches Geschehen, manchmal tun sich jedoch gerade beim sportlichen Aufenthalt in der wundervollen Berglandschaft wahre Abgründe lokaler und zwischenmenschlicher Art auf. Was nun Stefan König in seinem fünften Bergkrimi erzählt, hat er schon im vierten in den Rucksack gestopft, aber dann nicht richtig ausgepackt. Stürzte Peter Henning von alleine ab, oder schubste ihn Phil Reichhardt? Genau das will und muss Privatdetektiv Tobs Tanner in seinem zweiten Fall herausfinden. Ob dazu eine Klettertour mit dem verdächtigen ehemaligen Tourenkollegen eine kluge Methode ist? Oft genügt ein kleiner Schubs… König macht es in „Stumme Rache“ wieder einmal spannend, auch weil bzw. wenn er noch ein zweites Verbrechen ersonnen hat, das mit der tödlichen Tour eigentlich nichts zu tun hat.

„Ein dunkler, überhängender Riegel verlief darüber quer durch die Wand. In ihm steckten ein paar rostige Schlaghaken älteren Datums.
‚Hast du nicht gesagt, du machst so was nicht mehr?‘, fragte Keller.
‚Ja, außer man kann es guat absichern‘, entgegnete Brugger und zeige auf das Sammelsurium an Klemmkeilen an seinem Klettergurt. ‚Bis gleich. Koa Angscht, i mach die Tour nit zum erschten Mal!‘“
Das nicht. Dafür schrieb der Darmstädter Alpinist und Weinpublizist Eric Barnert seinen ersten Krimi, einen rasanten Thriller um den Arzt Martin Keller, der in einer Pharmafirma in Konstanz arbeitet und dort Ungereimtheiten bei Forschungsarbeiten entdeckt hat. Nun plant er, diese publik zu machen, was seinem Arbeitgeber gar nicht passt, weshalb er ihn aus dem Weg räumen will, auch wenn dieser Auftrag über schwierige Gipfel wie den Mönchskogel führt. Eine Verfolgungsjagd in der Vertikalen, bei Nacht und Nebel. Sicher angenehmer zu lesen in der warmen, vom Weihnachtsbaum erleuchteten Stube als in einer schlecht geheizten Berghütte, in der eine einzige Kerze flackert, während der Wind an der Fensterläden rüttelt. Oder ist es nicht der Wind?

„Fatima fragte den Alpkäser ungeduldig: ‚Und wo ist der Gletscher?‘
‚Gleich um die Ecke‘, kam es in Englisch mit starkem Oberländerakzent zurück.
Winter erklärte: ‚Die Briten haben vor mehr als hundertfünfzig Jahren das Berner Oberland als Tourismusdestination entdeckt.‘
‚Die beste Sicht haben Sie von der Hängebrücke aus.‘
‚Von der Hängebrücke?‘“
Also nichts wie hin! Doch als Tom Winter, Sicherheitschef einer verschwiegenen Privatbank, und die attraktive ägyptische Geschäftsfrau und Geliebte Fatima Hakim von der Triftbrücke aus den abschmelzenden Triftgletscher bestaunen, vergeht ihnen plötzlich ganz schnell die gute Laune – sie werden beschossen. Ein Mal mehr müssen sie um ihr Leben fürchten und rennen. Das geht so in Thrillern, und das ist in „Söldner des Geldes“, dem Erstling des Berners Peter Beck, nicht anders. Eine atemberaubende Geschichte auf blutigen Spuren in der heutigen Finanzwelt, wobei es auch für die Leser teilweise etwas Atem braucht bis zum grandiosen Finale an und in einer Staumauer im Grimselgebiet.

„Kisi führte ihre Truppe südwärts durch hochalpines Gelände unter dem Piz Fora und dem Piz Fedoz vorbei und gönnte ihnen erst im Val Forno das erste Biwak. Am frühen Morgen ließ sie die Gruppe in Richtung Maloja abfahren. Sie führte ihre Schützlinge kurz hinter der Ortschaft Maloja über die Hauptstraße und achtete darauf, dass kein Autofahrer sie sah. Unter dem Piz Lunghin ging es hinauf ins Val Maroz, das sie nach der Überquerung des Piz Bles hinter sich ließen.“
Und so geografisch und skialpinistisch falsch geht es weiter im Kapitel „Auf großer Skitour“ aus dem neuen Thriller „Bluteis“ von Marc Ritter, mit Thien Baumgartner und Sandra Thaler als Hauptfiguren wie schon in „Kreuzzug“. Beide leidenschaftliche Skitourengeher; der Autor ebenfalls, heisst es im Klappentext. Aber die grosse Skitour, die Sandra als manipulierte Gefangene der fanatischen Weltverbesserin Kisi mitmachen muss und die vom Roseggletscher bis zum neuen, im Juni 2013 eröffneten Refuge du Goûter führt, muss als so fiktiv betrachtet werden wie die ganze Story um Vernichtung bzw. Rettung der Welt in Sachen Überbevölkerung und Nahrungsmittelknappheit. Wenn sich jedoch eine wie oben beschriebene Skitour als gar nicht machbar herausstellt, schadet das irgendwie der Glaubwürdigkeit auch rein fiktionaler Handlungen.

„Ein Steinadlerpärchen kreiste, ein Murmeltier pfiff, die Berggeister schnatterten in den würzig duftenden Latschen. Nach einem Stündchen Geplauder trugen sich die beiden Mediziner mit knappen Worten ins Gipfelbuch ein: Schön hier oben! Sie blätterten die Seiten zurück. Andere hatten sich mehr Mühe gegeben. Feindselig, wildzerrissen steigt die Felswand. Das Auge schrickt zurück, bang sucht es, wo es hafte. Meyer.“
Meyer? Ja unser Conrad Ferdinand Meyer? Der sass doch nie auf der Kramerspitze (1985 m) nordwestlich von Garmisch-Partenkirchen. Der hockte in Engelberg und dichtete so:
Hinaus ins tiefe Himmelblau
Hell jauchzt er, dass die Öde schallt
Sein Jubel dröhnend widerhallt
Und Antwort kommt von allen Enden
Aus beider Tale Felsenwänden.
Aber ich schweife ab. Nun, das tut mein Lieblingsalpenkrimischreiber auch dauernd. Und wie das Jörg Maurer auch im fünften Band um Ermittler Hubertus Jennerwein wiederum vormacht. Einfach Spitze! Der Buchtitel heisst „Unterholz“. Und auf der Buchrückseite lesen wir, dass die Alp doch sündig ist: „Auf der Alm, da mäht der Tod noch selbst.“

Stefan König: Stumme Rache. Rother Verlag, München 2013, Fr. 18.-
Eric Barnert: Kreuzkogel. Rother Verlag, München 2013, Fr. 18.-
Peter Beck: Söldner des Geldes. Emons Verlag, Köln 2013, Fr. 16.50.
Marc Ritter: Bluteis. Droemer Verlag, München 2013, Fr. 25.90.
Jörg Maurer: Unterholz. Scherz Verlag, Frankfurt aM 2013, Fr. 24.40; erscheint im März 2014 als Taschenbuch.

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