111 Porträts und Schicksale von Bergsteiger/-innen

«Wen die Götter lieben» – so der Titel eines Porträtbandes für Leserinnen und Leser die das Morbide am Berg lieben – denn die elf Extrembergsteiger/-innen weilen nicht mehr unter uns, sondern hoffentlich im Reich der Götter. Unter den hundert im zweiten Band gibt es zum Glück auch noch lebende, dazu starke Fotos. Für alle Fälle.

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„Wie jedes Jahr kommt der Winter zwar immer, nicht jedoch Frau Holle. Es ist Mitte Februar und ich habe schon alle Hoffnungen aufgegeben. Das Trainieren am Gletscher in der Hoffnung auf kältere Zeiten ist mir ebenfalls schon lange vergangen. Ich bin am Boden zerstört und einer Depression nahe. An südorientierten Felsen wird bereits in T-Shirts geklettert.
Infolge eines totalen Action-Mankos fahre ich an einem freien Tag durch die Gegend. Entweder muss es heute ein Base-Jump oder ein Wasserfall sein. Und siehe da, ich traue meinen Augen kaum: Weiß, und nicht etwa schwarz und damit wasserunterlaufen, schimmert das Eis herunter. Mit einer Hektik ohnegleichen stürze ich mich in die nächste Telefonkabine und suche verzweifelt nach einem Seilpartner.“

Der Freiburger Xaver Bongard fand nach einigem Suchen Michael Gruber, und mit ihm durchstieg er am 15. Februar 1993 seinen Wunschwasserfall in der Breitwangflue am Zallershorn im Kandertal. Drei Mal hatte er sich schon an der gut 300 Meter hohen Route versucht, nun sollte es endlich klappen. „Crack Baby“, wie Bongard die Route taufte, galt damals als eine der schwierigsten, höchsten (und wahrscheinlich auch gefährlichsten) Eiskletterrouten der Schweiz – und ist immer noch ein Prüfstein (besser wäre wohl: ein Prüfeis) für ambitionierte Eiskletterer.

Bongard war das, was man gemeinhin als Adrenalinjunkie bezeichnet. Wer die schmalsten Eissäulen ob Kandersteg, die längsten Technorouten im Yosemite Valley und die Base Jumps von den Flühen im Lauterbrunnental sucht, wird es schon mögen, wenn das Stresshormon durch die Adern rauscht. Und wenn sich der Fallschirm just in time öffnet. Am 15. April 1994 tat er dies nicht, und der Notfallschirm versagte ebenfalls.

Xaver Bongard ist einer von elf Bergsportlern, welche der Deutsche Ulrich Remanofsky in seinem Buch „Wen die Götter lieben – Schicksale von elf Extrembergsteigern“ mit viel Text inklusive Auszüge aus Tourenbüchern, Artikeln und Büchern sowie mit einigen schwarz-weissen Fotos und ein paar Skizzen schildert. Von Paul Preuss über Alison Hargreaves als einziger Frau bis Marco Siffredi, der am 8. September 2002 zum zweiten Mal mit dem Snowboard vom Gipfel des Everest fuhr – und nie unten ankam. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in den Bergen verunglückten. Nur Hans Dülfer erging es anders: Er starb am 15. Juni 1915 in der Lorettoschlacht bei Arras in Nordfrankreich.

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In seinem dicken und schweren Bildband „Abenteurer der Berge“ porträtiert der Brite Huw Lewis-Jones 100 Bergsportler und -kenner, von John Ruskin (1819-1900) über den Annapurna-Bezwinger Maurice Herzog (geboren am 15. Januar 1919) bis zum Extremskifahrer Candide Thovex (Jahrgang 1982). Die Auswahl ist ziemlich britisch, of course, das Buch kam ja zuerst auch in London heraus. Drei Schweizer wurden aufgenommen, die beiden berühmten S, nämlich Siegrist Stephan und Steck Ueli, sowie der nach Kanada ausgewanderte Bruno Engler. Es hat sowieso ein paar Namen darunter, die man kaum oder nicht kennt, aber warum Jean-Claude Killy dabei ist, erstaunt dann doch un peu. 13 Frauen dürfen mitmachen, darunter Alison Hargreaves. Das Bild trumpft über den Text, und die Fotos sind zum Teil überaus stark – und schräg. Der englische Kletterstar Ron Fawcett im Schaumbad und mit gelben Gummihandschuhen – fantastic! Das Vorwort schrieb Sir Chris Bonington, das Nachwort Doug Scott, zwei Kapitel befassen sich mit der Bergfotografie einst und heute, Jacks Ives und Bruno Messerli kommentieren die „Berge in einer unsteten Welt“.

So wie die Eisfälle, die alljährlich wachsen und schmelzen. Jetzt soll es ja richtig kalt werden. Und Schnee hat‘s auch.

Ulrich Remanofsky: Wen die Götter lieben – Schicksale von elf Extrembergsteigern. Alpinverlag Jentzsch-Rabl, Bad Häring 2012, Fr. 18.90
Huw Lewis-Jones: Abenteurer der Berge – 100 Porträts. Frederking & Thaler, München 2011, Fr. 53.90

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