Bergsteiger sammeln Gipfel, Hütten, Höhenmeter: Zahlen bestimmen unsern Sport. Selbst unser Rezensent hat unter dem strahlend blauen Himmel des Südens im Frühlingsschnee der Basilicata Gipfel gezählt und nummeriert und Höhenmeter aufgelistet. 3 neue Bücher, 7 Hütten, 47 Touren: das ist alpine Zahlenmystik pur.
„Aber wo immer man hinschaut, in diesem Alpenland, breiten sich Berge aus. Je höher man steigt, desto verzückender ist die Aussicht. Hier muss man die Augen nicht anstrengen, um Städte oder Gebilde der Natur zu erspähen, die man sehen müsste und doch nicht sieht. Irgendwann gibt man die Ebenen auf, und die Berge sind überdeutlich sichtbar.“
Fein gesehen vom Erstbesteiger des höchsten Gipfels auf Schweizer Boden, vom Engländer John Llewelyn Davies (1826-1916), der am 11. September 1858 zusammen mit drei einheimischen Führern erstmals den Dom (4545 m) erreichte und am 31. Juli 1862 mit der Erstbesteigung des Täschhorns (4491 m) den zweiten alpinistischen Meilenstein setzte. Wer es ihm gleichtun und die Krone der Mischabel besuchen möchte, kann zu einem neuen Bildbandführer greifen. Dieser beschreibt 47 Touren von 7 Hütten aus. Die zwei ersten sind Dom- und Täschhütte, und beide gehören der grössten Sektion des Schweizer Alpen-Clubs, der Sektion Uto in Zürich. Die fünf andern sind die Albert-Heim-, die Voralp-, die Spannort-, die Cadlimo- und die Medelserhütte, alles vorzügliche alpine Unterkünfte in diesem Alpenland. Auf solche musste Davies noch verzichten; die beiden Erstbesteigungen führten er und seine Begleiter als Tagestouren von Randa (1439 m) aus. Nun, die Pioniere mussten auch keinen kiloschweren Bildband mittragen. Das werden wir sicher auch nicht, sondern die Routenbeschreibungen und Hintergrundinformationen (zum Beispiel zur bisher nicht bekannten Gründung der Sektion Uto) gemütlich zu Hause studieren.
Die Sektion Uto gab das Buch „7 Hütten 47 Touren“ zu ihrem 150. Geburtstag heraus. Ein ebenso sinniges Geschenk verfasste Veronika R. Meyer für die Sektion St. Gallen, die anfangs Juni 1863 als vierte SAC-Sektion gegründet wurde (knapp fünf Monate vor den Zürchern). Im Jubiläumsjahr gab es auf der Internetseite der St. Galler Sektion täglich eine neue Meldung zur weiten Welt der Berge zu lesen, vom Gründungslokal Walhalla über Säntis und Dufourspitze hinaus bis auf den Mount Everest. Eine faszinierende, überraschende, kenntnisreiche Sammlung von Taten und Touren, Geschichten und Geschichte. Nun ist der Jubiläumskalender als handliche und wohlfeile Publikation erschienen: Lesebuch, Zitatensammlung und Nachschlagwerk (dank des Registers) in einem.
2013 feierte bekanntlich nicht nur der SAC einen runden Geburtstag, sondern auch der CAI. Ein paar Jubiläumsschriften des Club Alpino Italiano habe ich schon vorgestellt. Hier eine weitere: Sie stellt 150 Gipfel in unserem Nachbarsland vor, welche die Soci im letzten und in diesem Jahr bestiegen und besteigen werden. 15 von ihnen sind auch Schweizer Gipfel; mit Italien hat die Schweiz nicht nur die längste (734 Kilometer), sondern auch die gebirgigste Grenze. Nun, wegen Cervino und Punta Dufour, Pizzo Palù und Pizzo Badile müssten wir uns nicht nach dieser Gipfelschau umsehen. Aber schon mal vom Pizzo Badile Camuno gehört? Ich jedenfalls nicht. Dieser andere Badile liegt in der Adamello-Gruppe in der Lombardei, ist 2435 Meter hoch und sieht ganz schön zackig aus. Berge erheben sich in Italien aber nicht nur im Alpenbogen, sondern im ganzen Stiefel. Und wie! Am Montag dieser Woche standen wir bei strahlend blauem Himmel auf dem Monte del Papa (2005 m), dem höchsten ganz in der Region Basilicata liegenden Gipfel – und der Nr. 144 der Schrift „150 vette“. Wo immer wir hinschauten, sahen wir Berge. Im Nordwesten der verschneite Monte Cervati, der höchste Binnengipfel Kampaniens, im Süden der Monte La Spina, das lukanische Matterhorn, und das Pollino-Gebirge mit dem weissen Serra Dolcedorme (2267 m), dem Kulminationspunkt Kalabriens. Im Osten schimmerte sanft der Golf von Taranto, im Südwesten schwammen die Liparischen Inseln schön nebeneinander im Meer. Dann stiegen wir in die Bindungen und kurvten über Frühlingsschnee in die Tiefe.
Schweizer Alpen-Club SAC, Sektion Uto (Hrsg.): 7 Hütten 47 Touren. Die schönsten Wanderungen und Bergtouren rund um die Hütten der SAC-Sektion Uto. AT Verlag, Aarau 2013, Fr. 59.90
Veronika R. Meyer: Berg 365. Jubiläumskalender SAC St. Gallen, 1863-2013. Fr. 25.- Zu bestellen unter www.sac-stgallen.ch.
Gianluigi Montresor, Giacomo Stefani: 150 vette per il 150° del Club Alpino Italiano. Le più belle vette d’Italia salite dai suoi soci. Priuli & Verlucca, Ivrea 2013, 22 Euro.
Mehr zu den Erstbesteigungen von Dom und Täschhorn sowie zu John Llewelyn Davies in: Daniel Anker/Caroline Fink/Marco Volken: Dom & Täschhorn – Krone der Mischabel. AS Verlag, Zürich 2012.