Der Zauberberg

Zauberberge gibt es viele, es hat wohl jeder Berg seinen eigenen Zauber. Aber «den» Zauberberg gibt es nur einmal, und wer ihn gelesen hat, hat sich wahrlich auf einen Berg von Buch hochgearbeitet. (Anmerkung der Blog-Redaktion: Der diesthabende Redaktor hat auf halbem Weg aufgegeben.) Aber man muss ja nicht unbedingt lesen, man kann in Davos auch auf den Spuren des Dichters Thomas Mann wandern und sich als Hans Castorp fühlen – ohne Tuberkulose hoffentlich.

„Ein einfacher junger Mann reiste im Hochsommer von Hamburg, seiner Vaterstadt, nach Davos-Platz im Graubündischen. Er fuhr auf Besuch für drei Wochen. Von Hamburg bis dort hinauf, das ist aber eine weite Reise; zu weit eigentlich im Verhältnis zu einem so kurzen Aufenthalt. Es geht durch mehrerer Herren Länder, bergauf und bergab, von der süddeutschen Hochebene hinunter zum Gestade des Schwäbischen Meeres und zu Schiff über seine springenden Wellen hin, dahin über Schlünde, die früher für unergründlich galten.“

So beginnt ein ganz berühmter Roman, nach dem anderthalbseitigen Vorsatz. Mit „Ankunft“ ist das erste Kapitel im ersten Buch überschrieben: Da kommt der Held in Davos an, nach der langen Reise von Hamburg her. Hans Castorp heisst er. Schon in der kleinen Station Davos-Dorf wird er von seinem lungenkranken Vetter Joachim Ziemßen aus dem Zug geholt, weil von dort der Weg zum Sanatorium kürzer ist als von Davos-Platz aus. Drei Wochen gedenkt Castorp im Internationalen Sanatorium „Berghof“ zu verweilen – es wurden sieben Jahre, vom August 1907 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Als äusseres Vorbild für den „Berghof“, den Hauptschauplatz des berühmtesten Davoser Romans, diente die Höhenklinik Valbella auf der linken Seite im Hochtal von Davos. Als eine der Vorlagen für die inneren Räumlichkeiten fungierte das 1909/11 erbaute Waldsanatorium auf der rechten Talseite. Dort war Katia Mann 1912 ein halbes Jahr zur Kur.

Thomas Mann besuchte seine Frau; heute vor 100 Jahren, am 15. Mai, traf er in Davos ein und blieb bis zum 12. Juni. Fast wäre er – wie sein Romanheld – länger geblieben, als Professor Friedrich Jessen einen kranken Punkt in der Lunge feststellte. Doch auf Anraten seines Hausarztes kehrte Mann ins Flachland zurück und begann an der „Davoser Novelle“ zu arbeiten. Aber die Erzählung  wuchs sich zum Roman aus, den Mann – mit dem Unterbruch des Ersten Weltkrieges – im September 1924 beendete. Zwei Monate später erschien „Der Zauberberg“.

„Der Zauberberg“ ging in die Weltliteratur ein und setzte Davos das wichtigste literarische Denkmal. Im August 2012 stehen die 10. Literaturtage Davos ganz im Zeichen von Thomas Mann. Für kulturinteressierte Gäste wurde das Sommerangebot „Farbenkraft und Zauberberg“ geschaffen, eine zweitägige Kulturwanderung auf den Spuren von Ernst Ludwig Kirchner und Thomas Mann (je ein Wochenende im Juni, Juli und Oktober). Und dann gibt es noch den Thomas-Mann-Weg, der vom Waldhotel Davos zur Schatzalp führt. Entlang des 2,6 km langen Weges befinden sich zehn Tafeln, die als literarische Stationen die Bezüge von Manns Werk zu Davos aufzeigen. Der Weg führt unter anderem zum Lieblingsplatz Hans Castorps und endet beim Thomas-Mann-Platz auf der Schatzalp, der hinter dem botanischen Garten Alpinum Schatzalp angelegt wurde.

„Das Steigen freute Hans Castorp, seine Brust weitete sich, er schob mit der Stockkrücke den Hut aus der Stirn, und als er, aus einiger Höhe zurückblickend, in der Ferne den Spiegel des Sees gewahrte, an dem er auf der Herreise vorübergekommen war, begann er zu singen.“

Thomas Mann: Der Zauberberg. S. Fischer Verlag, Berlin 1924. Als Fischer Taschenbuch, Fr. 19.90

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