Escalades Royales

Könige der Alpen gibt es viele, Könige der Bergführer, Könige der Senkrechten und der Überhänge und den Schlossherr im Südtirol, eher fast ein Kaiser. Na ja, zum Glück erzählt nun Bernard Marnette von den echten Königen und Königinnen und ihrer Bergleidenschaft, die sie so königlich menschlich macht und gelegentlich sogar sterblich und dadurch wiederum unsterblich. Hoffentlich folgt bald eine Übersetzung ins Deutsche.

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„Après de longues heures de tension nerveuse dans mon bureau du Palais, il me faut des instants de libération morale… Je vais retrouver là, l’équilibre de l’âme et du corps.“

Und wo fand der belgische König Albert I. (1875–1934) das seelische und körperliche Gleichgewicht wieder, das ihm bei der täglichen Arbeit im Königspalast in Brüssel immer wieder abhanden kam? Im Fels und Eis, beim Klettern und Bergsteigen. Vor allem aber beim Klettern, am liebsten in den Dolomiten, aber auch im Bergell oder in den Engelhörnern. Und, näher beim Büro, in den heimatlichen Felsen. Dort stürzte der Roi Alpiniste, wie man ihn nannte, am 17. Februar 1934 ab, beim Soloklettern in den Rochers du Vieux Bon Dieu in Marche-les-Dames bei Namur.

Sein Sohn Leopold III. (1901–1983), König der Belgier von 1934 bis 1951, setzte die royale Klettertradition war, meisterte noch schwierigere Dolomitenwände als sein Papa, zum Beispiel die berühmte Solleder-Route an der Civetta. Ja, er hatte gar im Sinne, die Eigernordwand zu machen. Als aber seine zweite Frau, Lilian Baels, beim gemeinsamen Aufenthalt in Grindelwald das entsprechende Gepäck entdeckte, liess sie es kurzerhand nach Brüssel zurück spedieren. Königin Lilian war keine Bergsteigerin, im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Astrid, die 1935 bei einem Autounfall bei Küssnacht am Rigi ums Leben gekommen war.

Albert I. hatte mit seiner Kletterleidenschaft die ganze Familie angesteckt. Auch der zweite Sohn, Charles, traute sich in senkrechtes Gelände vor. Und Tochter Marie-José (1906–2001) unternahm zahlreiche grosse Touren, zuerst als Prinzessin und ab 1946 als letzte Königin von Italien. So am 11./12. September 1941, als sie mit den Führern Luigi Carrelino Carrel und Giulio Amato Bich das Matterhorn über den Italienergrat bestieg; bevor sie sich in die atem- und kraftraubende Scala Jordan am Gipfelkopf hängte, genehmigte sich Hoheit noch „un bicchiere di vino“. Schon ihre Mama, Elisabeth in Bayern, hatte das Klettern geliebt. Eine Postkarte vom 28. Juli 1912 an Ernest Solvay, den Sponsor des gleichnamigen Biwaks am Hörnligrat, unterschrieb sie mit „votre collègue alpiniste“.

Die Postkarte von Königin Elisabeth ist abgebildet im neuen Bildband „Escalades royales. Les rois et reines des belges alpinistes“ von Bernard Marnette. Ein sehr schön gemachtes und bebildertes Buch zur „histoire de l’alpinisme aristocratique au 20e siècle“. Das Fotoalbum einer bergbegeistern Familie, ergänzt um Texte voller Anekdoten und um einen nützlichen Stammbaum. Ein paar Mal stimmt eine geografische Zuordnung nicht ganz, aber das kümmert uns nicht angesichts all dieser königlichen Bergfahrten aus einem alpenfernen Land.

Am 1. August 1930 schrieb Roi Albert Ier in einem Brief an den Tourengefährten Walter Amstutz, der dann 1993 die schweizerische King Albert I. Memorial Foundation gründen wird: „C’étaient vraiment de belles courses, et j’en conserve le meilleur souvenir.“

Bernard Marnette: Escalades royales. Les rois et reines des belges alpinistes. Éditions Nevicata, Bruxelles 2016, 35 €, www.editionsnevicata.be

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