Leslie Stephen veröffentlichte 1871 ein Buch mit dem Titel: The Playground of Europe. Nun gibt es eine moderne Fassung zu diesem Klassiker. Nicht mehr Touren in den Alpen als Spielplatz Europas sind beschrieben, sondern die höchsten Gipfel der europäischen Länder. Keine poetische Bergliteratur, aber doch ein Führer, der zum Träumen anregt. Allerdings können Gipfelbesteigungen auch zu Albträumen werden, wenn sie durch Minenfelder führen.
„Formerly a very popular peak, there were large battles between Serb forces and Kosovan/Albanian fighters on Djeravica in 1998. During the late 1990s Serbian forces, aiming to prevent Albanian/Kosovan troops from crossing the border, placed a number of landmines on the mountain. When we climbed Djeravica in 2005, UNMIK were in the process of clearing these and appeared to be near completion. We interacted fully with UNMIK at the time and can assure readers that our route is safe.”
Hoffen wir es, dass die im Buch „Europe’s High Points“ beschriebene Route auf den Djeravica (2656 m), den höchsten Gipfel im Kosovo, sicher ist. Ein mulmiges Gefühl ob der hässlichen Gefahr von Landminen bleibt allerdings. Aber besteigen muss man den Djeravica, wenn man alle höchsten Gipfel der Länder in Europa besteigen will. Auch wenn man den Kosovo nicht als eigenständigen Staat betrachtet. Denn dann wäre dieser grasige Gipfel der Kulminationspunkt von Serbien. Ohne Kosovo ist der Midzor (2169 m) der Kulminationspunkt Serbiens. Und dort empfehlen Carl McKeating und Rachel Crolla, gleich nach Erreichen des Ausgangspunktes möglichst unbemerkt Richtung Gipfel aufzubrechen, weil sonst die Polizei unangenehme Fragen und Forderungen stellen könnte. Das Triangulationssignal des Midzor steht 400 Meter südwestlich der bulgarischen Grenze. Der höchste Berg Bulgariens ist übrigens der Musala (2925 m); höher in Osteuropa ist nur der Elbrus (5642 m), die Nummer 1 in ganz Europa.
48 europäische Höhepunkte stellt der Führer mit allen wichtigen (wander)touristischen Infos inklusive genauen Kärtchen. Zwei high Points liegen auf der Grenze von je zwei Staaten: der Mount Korab (2764 m) bei Albanien/Mazedonien und der Mont Blanc (4808 m) bei Frankreich/Italien. Mais oui, ma si: Der Kulminationspunkt von bella Italia ist laut McKeating/Crolla und ihren Quellen der Monte Bianco. Französische Karten ziehen den Grenzverlauf über den Mont Blanc de Courmayeur (4758 m).
Und noch mehr Interessantes ist dem Führer zu entnehmen: Die höchsten Gipfel von Spanien (der Teide auf den Kanaren) und Portugal (der Monte Pico auf den Azoren) zählen für die Autoren nicht, da sich die Inseln ausserhalb Europas befinden. Ein Glück für mich: Am 8. Mai 1981 standen Rolf Winz und ich auf dem Torre (1993 m), dem höchsten Gipfel von Festland-Portugal – im Schneesturm und zu Fuss, der Renault 5 war im frisch gefallenen Schnee weiter unten stecken geblieben. So kann ich nun einen europäischen Länderhöhepunkt mehr abhaken.
Warum freilich Carl McKeating und Rachel Crolla die Färöer mit dem Slaettaratindur (882 m) nicht als eigenständigen Staat ausweisen, dafür jedoch die höchsten Punkte von Nordirland, England und Wales in ihre Liste aufgenommen haben, scheint nicht ganz schlüssig. Doch da kann man ja selbst entscheiden und losstiefeln. Zum Beispiel zur Laterne (132 m) über der Kuppel des Petersdoms im Staat Vatikanstadt.
Carl McKeating, Rachel Crolla: Europe’s High Points. Reaching the summit of every country in Europe, Cicerone Press, 2009, Fr. 34.70.