Frauen am Berg

Eine Ausstellung, ein Fundbüro und ein Postkartenbuch: A Women’s Place is on top. Ab sofort im Alpinen Museum der Schweiz in Bern – und überhaupt.

«Eine liebere, bessere Kameradin kann ich mir nicht denken am Berg.»

Notierte der Alpinist, Skipionier und Führerautor Eugen Wenzel (1900–1989) auf Seite 129 in sein Tourenbuch 2 1923–1926; im Hauptberuf wurde er Buchhalter im Haute Couture Geschäft seiner Frau an der Brandschenkenstrasse in Zürich. Rosa Wenzel-Hofer (1906–1998), die ihren Mann auch auf den schweren Fahrten sommers und winters begleitete, ist auf seinen Fotos immer wieder zu sehen; so in den Berichten, die er in „Die Alpen“, der Zeitschrift des Schweizer Alpen-Clubs, veröffentlichte. 1500 Stereoglasdias, 200 Farbdias und sechs Tourenbücher sind in der Sammlung des Alpinen Museum der Schweiz enthalten. Seit dieser Woche hat Rösli, wie Eugen seine Lebensgefährtin nannte, ihren grossen Auftritt: Auf dem Titelbild von „A Women’s Place“, dem Postkartenbuch zu „Frauen am Berg“, dem Fundbüro für Erinnerungen N° 2, macht die modisch gekleidete Rosa Wenzel einen atemberaubenden Sprung auf einem Felsgrat am Fergenkegel in der Silvretta, um 1930 perfekt ins Szene gesetzt und fotografiert von ihrem besten Kameraden.

„Frauen am Berg“ also, die neue Ausstellung zum Anschauen und Mitmachen am Helvetiaplatz in Bern. Das freute hoffentlich Helvetia, ganz sicher aber Rosa. Das partizipative Sammlungsprojekt „Fundbüro für Erinnerungen“ – N° 1 war dem Skifahren gewidmet – zeigt Objekte und Fotos von Bergsteigerinnen aus der Sammlung des Alpinen Museums und befragt Bergführerinnen und Expeditionsteilnehmerinnen, Alpinistinnen und Sportkletterinnen nach ihren Geschichten. Eine von ihnen ist die Bernerin Heidi Lüdi, die 1982 als erste Schweizerin mit American Women’s Himalayan Expeditions auf der Ama Dablam (6814 m) stand; sie schenkte dem Museum zahlreiche Ausrüstungsgegenstände, sie ziert das Auftaktbild zu „Frauen am Berg“, aufgenommen auf einer Skitour am Pik Juchina in Kirgistan, 1974. Und sie war dabei an der Vernissage von „Frauen am Berg“ und „A Woman’s Place“ am Freitag, 3. Dezember 2021. Genauso wie Nicole Niquille, die erste Bergführerin der Schweiz, wie Rita Christen, seit Herbst 2020 Präsidentin des Schweizer Bergführerverbandes. Oder wie Trudi Wyss; von ihrem Schwiegervater Rudolf Wyss ist im Postkartenbuch ein ganz besonderes Foto zu sehen: Ein Bergführer kontrolliert etwas überheblich den Seilknoten einer Alpinistin, aber sie lässt sich davon nicht einschüchtern.

Diese Postkarte, und 39 andere, könnte man heraustrennen und verschicken – eine schöne Idee, gerade jetzt: zum Beispiel diejenige von Nicole Niquille mit einer Ampulle… Aber es wäre sehr schade für die rundum geglückte Publikation mit klugen Texten sowie fein ausgewählten Fotos und arrangierten Fundstücken aus der Sammlung. Wer die Postkarten verschicken will, kauft besser gleich zwei dieser Postkartenbücher! Und wünscht mit Rosa einen sicheren Sprung ins Neue Jahr.

Ich habe Rosa Wenzel auf Umwegen noch kennengelernt. In einem Artikel für „Die Alpen“ von 1993 über eine Skitour auf den Pizzo Stella (3163 m) zuhinterst in der Valle di Lei, einem Seitental des Avers, hatte ich Text und Fotos mit dem Bericht von Eugen Wenzel aus dem Jahre 1936 verwoben. Daraufhin schrieb mir Rosa Wenzel auf dem Papier des Hotels „Post“ in Bivio, wo sie immer wieder logierte und auch ihren 90. Geburtstag feierte, einen Brief: „Die Skifahrerin auf dem Bild von Eugen Wenzel bin ich.“

A Woman’s Place. Fundstücke von Bergsteigerinnen aus der Sammlung. Ein Postkartenbuch. Mit Beiträgen von Rita Christen, Rebecca Etter, Beat Hächler, Monika Hofmann, Michelle Huwiler, Anita Mischler und Ingrid Runggaldier. Alpines Museum der Schweiz / Scheidegger & Spiess, Bern / Zürich 2021, Fr. 24.-

Fundbüro für Erinnerungen, № 2: „Frauen am Berg“. Alpines Museum der Schweiz in Bern, 4. Dezember 2021 bis Oktober 2023. Frauen sollen ihre Berggeschichten mitteilen: direkt im Untergeschoss des Museums oder auf www.e-fundbuero.ch/de/fb2/ Am Donnerstag, 20. Januar 2022, 17.30 bis 19 Uhr, erzählt Sophie Lavaud von ihren elf Achttausendern. Und auch, wie sie die restlichen drei noch besteigen will.

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