Hütten-Geschichten

Das Leben auf einer SAC-Hütte? Faszinierend und vielschichtig wie die Lage, wo die Hütten stehen. Zwei neue Bücher erzählen davon. Und machen gluschtig, dorthin aufzubrechen.

«Die Schweiz, vielleicht ganz Europa, erlebt seit längerem einen Wanderboom. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Zahl der Gäste auf unserer Hütte auch zunimmt. Neu gibt es in der Wanderszene einen Indikator. Es ist ein Wert, der auf Veränderungen schliessen lässt. Wir nennen ihn seit jüngstem den Sohlenverlustwert SVW. Bei einer Skala von Null bis Zehn lag der SVW bei uns auf der Fründenhütte in unserem ersten Hüttenjahr beim Wert Vier. Im Rekordjahr 2018 legte er zu und lag bei Sieben.»

Erzählt Bernhard Winkler, der zusammen mit seiner Frau Marianne die Fründenhütte des Schweizer Alpen-Clubs hoch oberhalb des Oeschinensees bei Kandersteg bewartet, im Kapitel „Schuhsohlen“ seines ersten Buches „Suppe mit … Komfort oder Wurst? Heitere und vertiefte Betrachtungen aus der Sicht des Hüttenwartes der Fründenhütte SAC“. Aber Bernhard verrät auch, mit entsprechendem Foto, wie sie als professionelle Amateur-Schuhreparateure dem SVW begegnen: „Nur noch schwach haftende Sohlen werden mittels Kabelbinder an den Schuh geheftet. Damit beides nicht verrutscht, wird ein Loch direkt quer durch den Absatzteil des Schuhs gebohrt. Der Schuh ist zwar futsch, aber die Sohle hält. Erstaunlich, noch nie erhielten wir die Rückmeldung, der «Flick» hätte nicht bis ins Tal gehalten.“ Ein gute Tipp – jedenfalls werde ich sofort ein paar Kabelbinder ins Erste-Hilfe-Set meines Rucksacks legen. Bei mir haben sich Sohlen nämlich auch schon selbständig gemacht.

Ein Hüttenbuch mit Mehrwert also. Nicht nur für zukünftige Touren. All die erfreulichen und lustigen, und leider auch mühsamen und traurigen Geschichten, wie sie das Leben halt schreibt und dies auf 2560 Meter über Meer noch intensiver tut: Davon berichtet Bernhard Winkler in 27 kurzweiligen Kapiteln. Von der Alpendohle Duri und von wilden Kerlen. Vom jährlich stattfindenden Fründenskirennen, bei dem am Vorabend jeweils der Nachtruhezeitpunkt etwas nach hinten verschoben wird. Von Gästen, die ein Einzelzimmer mit Dusche erwarten. Vom Fründenhorn-Ostgrat, der mehr und mehr abbröckelt. Vom neuen offiziellen Hüttenweg über die Fründenschnur, „eine einmalig spektakuläre Wegpassage, die ihresgleichen sucht.“ Nicht verpassen, weder diesen Weg, noch das Buch.

Ein zweites Hüttenbuch kann ich ebenfalls empfehlen: „2610 m. ü. M. Irma Clavadetscher – Ein Leben auf der Coaz-Hütte“. Irma Clavadetscher, geborene Müller, Jahrgang 1940, aufgewachsen im tief bürgerlichen und katholischen Schmerikon am Zürichsee, hatte andere Ziele und Träume von einem befreienden, spannenden, ja erfüllten Leben. Und sie lebte es – bzw. sie fand ihn, den Bündner Bergführer und Skilehrer Christian „Hitta“ Clavadetscher. Von 1963 bis 2001 bewirtschafteten die beiden die Chamanna Coaz hinten im Val Roseg im Oberengadin. Aber Irma war die eigentliche Hüttenwartin, eine der ersten in der Schweiz, denn ihr Mann war mit Gästen oft unterwegs. Wie sich Irma und Hitta kennenlernten, wie sie ihre Liebe und den Alltag zwischen Berg, Tal und Nachwuchs meisterten, was Irma in der Hütte Aufwühlendes und Berührendes erlebte, wie sie sich als Frau in der männlichen und weiblichen Bergsteigerschaft durchsetzen musste und konnte: All das erzählt Irene Wirthlin, pensionierte Gymnasiallehrerin an einer Zürcher Mittelschule, in ihrem ersten Buch.

Bernhard Winkler: Suppe mit … Komfort oder Wurst? Heitere und vertiefte Betrachtungen aus der Sicht des Hüttenwartes der Fründenhütte SAC. Eigenverlag, Höfen bei Thun 2021. Fr. 25.- Nur Fr. 20.-, wenn das Buch auf der Fründenhütte gekauft wird; mehr dazu unter www.fruendenhuette.com/shop. Bestellen bei: bernhard.winkler1@bluewin.ch.

Irene Wirthlin: 2610 m. ü. M. Irma Clavadetscher – Ein Leben auf der Coaz-Hütte. Hier und Jetzt Verlag, Zürich 2021. Fr. 36.-

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