Den Gedanken und Pfaden nachgehen und dabei neue Wege erschliessen. Die eigenen. Und so ganz nebenbei die Pflanzenwelt bestaunen. © Annette Frommherz
In der Nacht hatte es geregnet. In Strömen. Das hinderte mich in keiner Weise, daran zu glauben, was die Wetterfrösche mir versprochen hatten: Schönes Wetter. Der Glaube versetzt Berge. Und jene sind noch immer da, wie ich am Morgen von Oberiberg aus bestätigt erhalte. Dort, wo der Roggenstock schon letzte Woche stand, steht er noch immer. Gut so, denn auf diesen will ich.
Manchmal sehne ich mich nach mir. Dann suche ich mich so lange, bis ich mich gefunden habe. Das geht am besten beim Wandern. Alleine. Ich halte den Atem an, damit es noch stiller wird in mir. Und wie ich sicher sein kann, dass die Ruhe sich ausbreitet, bin ich startklar für die Taten.
Tropfende Gräser streichen um meine Beine wie anhängliche Katzen. Manch prächtige Weinbergschnecke kreuzt meinen Weg in mörderischem Schneckentempo. Ob sie so ihr nasses Haus in Windeseile trocknen will? In der Fuederegg störe ich ein Salamanderpärchen beim Liebesspiel. Und obwohl ich mich höflich entschuldige, ist ihnen die Lust abhanden gekommen.
Es kreucht und fleucht nicht nur auf dem Gipfel: Ein Fälterchen da, ein Sommervögelchen dort, und Bienen und Fliegen, ein Käferchen auch. Alles auf den Beinen und in den Flügeln. Ein wahrer Tumult! Kein Wunder, denn die Alpenblumen blühen um die Wette: Akelei und Frauenmäntelchen, Hornklee und Enzian, Glockenblume und Knöterich. Alles vorhanden, alles so üppig, jedes in pompösen Farben. Das Wollgras wippt dazu in bester Sommerlaune.
Und wer gibt mir den Gipfelkuss? Ich schaue mich um, aber es ist keiner da. So küss ich mir meine Schulter. Mehr geht nicht. Es muss reichen in der Not.
Ich war gerührt, vor allem der Selbstkuss am Schluss…
… mit den Käfern wandern und den Schmetterlingen fliegen, eins sein mit der Natur, bis man sich selbst wieder findet. Eine Alternative zur Sitzung beim Psychologen.