Wir leben einfach im falschen Jahrhundert. Ein Autor behauptete sogar mal: Abenteuer gebe es heutzutage nur noch in den Archiven. Darüber kann man sich streiten. Aber dass sich in Archiven zuweilen höchst Abenteuerliches findet, zeigt das besprochene Buch über einen ehemaligen Schweizergardisten – vielleicht liest es sogar Papst Benedikt im Ruhestand.
„Um elf Uhr ungefehr ehe wir nur daran denken konten kam eine trübe Wolke ueber eine Bergspitze hergezogen u. auch beinahe in demselben Augenblike fing es an stark zu regnen wir glaubten das es nur den Uebergang eines Gewiters wäre, aber es hielt an und regnete immer starker nun fing es an zu schnien Handgroβe Floken fielen herunter u. in kurzer Zeit war alles mit Schnee bedekt wir waren nun an die oberste Spitze des Satels gekomen. er besteht aus gebrochenen Felsenstüken u. ist einige Hundert Schrite beinahe eben wir machten halt er beobachtete seyne Jnstrumente u. sagte mir das wir viertausend Fuβ ueber der Meresflächer wären es war ein Uhr Nachmitag u. schneite sehr stark auch ziemlich kalt er sagte zu mir ich denke es ist besser wir schiken nun diesen Man zurük etwas später u. es fällt zuviel Schnee u. er kann nicht mehr zurükkehren so üebernahm ich nun das ganze Gepäk u. noch acht Biscuits mehr mit. wir gingen nun von einander ich u. Hr. Wit. nach Westen u. der andere Man zurück nach dem Lagerplaze den wir am Morgen verlassen hate.“
Wären der Tagebuchschreiber und sein Herr mit dem Gepäckträger vom Whitcombe-Pass (1239 m/4025 ft) zurück nach Osten und nicht weiter nach Westen in unbekanntes Gelände abgestiegen, so hätte die Gedenktafel an der heutigen Strassen- und Bahnbrücke über den Taramakau River nicht aufgestellt werden müssen – die Inschrift lautet:
In 1863 JOHN HENRY WHITCOMBE
AND JAKOB LAUPER CROSSED THE
SOUTERHN ALPS BY WHITCOMBE PASS
WHITCOMBE WAS DROWNED IN THE
TARAMAKAU RIVER 6 MAY 1863
Whitcombe war nicht der Erste, der in den ungestümen Flüssen auf der Westküste der neuseeländischen Südinsel unterging. Der Tod durch Ertrinken wurde vor 150 Jahren gar „New Zealand Death“ genannt. Das Westland, wohin Whitcombe und Jakob Lauper aus Giffers FR im Frühling 1863 abstiegen, gehört zu den regenreichsten Regionen der Erde. Der Landstrich wird von einem Kranz hoher Berge umgeben und war einst kaum zugänglich. Einen besseren Zugang, ja vielleicht gar für eine Strasse, wollte der Engländer mit seinem Freiburger Führer erkunden. Nicht zuletzt deshalb, weil man im Westland Gold vermutete – und schliesslich auch fand. Allein schier ununterbrochener Regenfall und Urwald machten aus der hoffnungsvollen Kleinexpedition einen dramatischen Überlebenskampf, aus dem sich Lauper nur mit knapper Not rettete, nachdem er seinen Herrn nicht aus den Fluten des Taramakau River ziehen konnte. Nun ist Laupers „Umständlicher Bericht über die Expedition u. den Tod des Hr. Withcomb“ aus dem Jahre 1863 erstmals im Original-Wortlaut in deutscher Sprache erschienen. Ein guter Anlass, diesen Lauper kennenzulernen, an den in den Southern Alps der Lauper Peak (1929 m), der Lauper Stream und das Lauper Bivouac erinnern. In den Schweizer Alpen gibt es ja Lauperrouten an Eiger, Mönch, Jungfrau und Grosshorn, die am Eiger und Mönch über das Lauperschild bzw. die Lauperrippe führen. Und im Schweizerland auf Grönland erhebt sich der Lauper Bjerg (2580 m). All diese Bezeichnungen ehren Hans Lauper (1895–1936).
Zurück zu seinem Namensvetter Jakob (1815–1891). Was führte dieser Lauper für ein spannendes Leben zwischen Sensebezirk, Schweizergarde und Südinsel! Der Sohn des Landammans von Giffers war Student am Jesuitenkollegium St. Michael in Freiburg; Hellebardier in Rom; Verschollener in der Fremde; Kleinbauer, Familienvater, Friedensrichter und Börsenhasardeur wieder in der alten Heimat; Auswanderer nach Australien; Abenteurer in Neuseeland; greiser Weltenbummler; Leuchtturmwärter. Von diesem reichen Leben handelt die reich bebilderte und illustrierte Publikation aus den Veröffentlichungen des Kulturzentrums der päpstlichen Schweizergarde. Passt doch bestens zu Pfingsten. Der angekündigte Regen leider auch.
Damian Zingg, Hilary Low, Hans Kalbermatten, Edward Cary: Hunger und Gold. Das Leben des Neuseelandpioniers und früheren Schweizergardisten Jakob Lauper (1815–1891) und sein Expeditionsbericht aus den Alpen Neuseelands von 1863 im Originalwortlaut. Veröffentlichungen des Kulturzentrums der Päpstlichen Schweizergarde Nr. 4. Rotten-Verlag, Visp 2015, Fr. 29.-