Wir hatten gehofft, es möge nochmals schneien, bevor wir uns auf den Weg Richtung Osten machen. Aber der Bregenzerwald zeigte sich im mehrheitlich grünen Kleid, während es in unseren Alpenkämmen haufenweise Schnee hingeworfen hatte. © Annette Frommherz
Wir liessen uns im neu eröffneten Gasthaus Hubertus im Hinteren Bregenzerwald einquartieren; in Au, einem Dorf mit tausendsiebenhundert Einwohnern, von denen die meisten mit dem Tourismus ihre Brötchen verdienen. Geschlechter wie Moosbrugger und Beer sind in dieser Landsgemeinde stark vertreten, sodass der Verdacht aufkommt, man überschreite hier als Eingeborener kaum die Gemeindegrenze.
Der Bregenzerwald wird als der Schneegarant gerühmt. Doch so sehr wir morgens unsere Nasen an den Fensterscheiben plattdrückten, so wenig hatte es über Nacht geschneit. Wir mussten uns mit dem Weiss zufrieden geben, das uns die Gegend zu bieten hatte, und das war nicht eben viel. Mit ihrem hübschesten Lächeln schwindelte uns die Rezeptionistin siebzig Zentimeter Schnee auf dem Gipfel vor. Wir meinten in der Höhe, nicht in der Breite. Das meistern sie hervorragend, die Vorarlberger, gell: Sie besitzen einen ausgeprägten Charme, von dem wir uns ein grosses Stückle abschneiden könnten.
Der ‚wälderische‘ hochalemannische Dialekt, wie er im Bregenzerwald gesprochen wird, hatten wir rasch in unsere Herzen geschlossen. Nicht grundlos werden die Vorarlberger im übrigen Österreich oft scherzhaft als ‚Gsiberger‘ bezeichnet. Dies rührt daher, dass sie beispielsweise ‚i bin gsi‘ anstelle des ‚i war‘ verwenden. Nicht nur damit grenzen sie sich von den bairischen Dialekten Österreichs ab.
Mit ‚servus!‘ wurden wir begrüsst, als würden uns sämtliche alte Bekannte über den Weg laufen. Und mit ‚pfüet di!‘ wurden wir auf unseren Wegen, wohin auch immer, begleitet. Zum Beispiel auf den Klippern von Damüls aus, wo wir auf den knapp über zweitausend Metern Schneeverhältnisse vorfanden, die man durchaus als prächtig bezeichnen darf. Oder tags darauf die Güntlespitze, die wir nach tausendeinhundert Höhenmetern fanden, nachdem wir eigentlich den Sattel rechts der Üntschenspitze gesucht, aber die Abzweigung verpasst hatten. Dort oben graute mir vor der steilen Abfahrt über die Nordhänge, aber der Mann an meiner Seite liess sich nicht umstimmen; zu verlockend zeigten sich die einzelnen Wellenlinien im tiefen Schnee.
Abends durften wir die Kalorien aufnehmen, die uns tagsüber abhanden gekommen waren. Das war ein leichtes Unterfangen, gell, die Österreicher kochen gut. Um das Essen gebührend ausklingen zu lassen, gönnten wir uns ab und zu a Wässerle, das uns klar und heiss durch die Kehle rann. Das Personal war nett und fründlig, als ginge es um die Wurscht. Nicht nur den jungen Frauen standen die Dirndl hervorragend. Farbige Schürzen, eng geschnürte Taillen, die Puffärmel der weissen Blusen keck abstehend. Am besten gefiel mir diejenige, die ihre Fäuste in die Seiten stemmte und in die Backen blies, bevor sie sprach.
Doch wer meint, Freude sei nur ein Mangel an Information, der kann sich täuschen. Als das Jahr sich von der frischen Seite zeigte, fellten wir abermals unsere Skier. Am Ausgangspunkt Jägerstüble stiegen wir von der Furkajochstrasse aus auf den Portlakopf. Nur einem weiteren Unbeirrbaren begegneten wir, der sich ebenfalls nicht um das trübe Wetter scherte. Obwohl die paar Höhenmeter keineswegs einen Kaiserschmarren rechtfertigt hätten, genehmigten wir uns nachher einen.
Auf unserem Heimweg über das Grosse Walsertal wählten wir als letzten kleinen Abstecher das Zafernhorn, das wir von Fontanella aus in Angriff nahmen. Bis zum Gipfel sah es gar nach Bündt, nach Wiese aus, es fehlten nur die weidenden Kühe. Wir schenkten uns den Rest, setzten uns vor eine Hütte, sogen in aller Stille ein, was gewesen, und schauten ins Tal, wo das Leben seinen Lauf nahm. Servus! Pfüet di! Schön wars!