Frauen am Berg: zu sehen in einem Katalog zu einer alten Ausstellung – und in einem ganz neuen Film.
„Für uns Frauen ist nicht der Berg selbst das Schwierige, sondern was sich um ihn herum baut und sich gegen uns stellt.“
So erinnerte sich Cenzi Sild, geborene von Ficker (1878–1956), mit siebzig Jahren. Sie gehörte zu ihrer Zeit zu den besten Bergsteigerinnen Österreichs, trat mit 20 Jahren dem Österreichischen Alpenklub (ÖAK) bei und nahm 1903 an einer Expedition in den Kaukasus teil, wobei sie auch am Versuch der ersten Besteigung des Uschba-Südgipfels (4737 m) beteiligt war, der damals als schwerster Berg der Welt galt. Das imponierte dem Fürst von Swanetien so sehr, dass er ihr darauf die Uschba schenkte. Fortan galt Cenzi von Ficker als das Uschba-Mädel. Auch nach der Heirat mit Hannes Sild und der Geburt von drei Söhnen ging sie weiter bergsteigen. 1937 ernannte der ÖAK Cenzi Sild zum ersten weiblichen Ehrenmitglied. Umso bemerkenswerter also ihr oben zitierter Satz. Ich fand ihn im Kapitel „Spaziersucht, Lustwandel und Bergdrang. Bilder von Frauen unterwegs“ im grossartigen und grossformatigen Bildband „Wanderlust. Von Caspar David Friedrich bis Auguste Renoir“.
Dieses knapp 300 Seiten schwere Buch erschien zur gleichnamigen Ausstellung in der Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, die dort im letzten Jahr zu sehen war. Auch wenn man nun Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ von 1817 nicht mehr hängend neben dem fast gleichzeitig gemalten „Wanderer auf Bergeshöh“ von Carl Gustav Carus sehen kann, so sind die beiden Wanderer nun in diesem Katalog zu finden, zusammen mit 123 anderen Werken, die ausgestellt waren. Und mit zahlreichen anderen Abbildungen, welche die acht Aufsätze illustrieren. Es lohnt sich schwer, diese zu lesen und die Bilder zu betrachten – eine sehr kunstsinnige Wanderreise durch zwei Jahrhunderte, von Caspar Wolf bis Ernst Ludwig Kirchner und weiter bis Francis Bacon.
Nicht verpassen wird man dabei das 1912 geschaffene, 200 auf 170 Zentimeter messende Gemälde „En bjergbestigerske“ des Dänen Jens Ferdinand Willumsen, das auch die Rückseite des Kataloges verschönert. „Die monumentalste Darstellung einer einzelnen, unbegleiteten Frau als Alpinistin“, heisst es in der Legende. „Ihr ins Sonnenlicht gerichteter Blick symbolisierte für viele Betrachter die Hoffnung, Frauen nicht nur im Sport den Männern als gleichbehandelt zu sehen. In Dänemark erfüllte sich ein Teil dieser Erwartungen, als das Land als eines der ersten 1915 das allgemeine Frauenwahlrecht einführte.“
Erst seit 1980 sind die Frauen im Schweizer Alpen-Club mit dabei, und bis heute ist die Luft für ambitionierte Schweizer Bergsteigerinnen dünn. Davon handelt „Frauen am Berg“, der neue Film von Caroline Fink. Ein Film über Alpinismus – und über Mut, Wut und Gipfelglück. Die TV-Première ist am Gründonnerstag, 18. April 2019, um 20.05 Uhr auf SRF1 im Sendeformat DOK. Danach wird er rund eine Woche online auf srf.ch zu sehen sein. Die Kinopremière ist am Mittwoch, 1. Mai 2019, um 19.00 Uhr im Kino Passerelle in Wattwil SG. Die drei im Film porträtierten Bergführerinnen Ariane Stäubli, Nadja Roth und Annina Reber unterschrieben wohl sofort, was das Bergsteigen für Cenzi Sild-von Ficker war: „Sich allein aus all der Stubenhockerei heraus einen Weg ins Freie zu bahnen“.
Gabriel Montua, Birgit Verwiebe (Hrsg.): Wanderlust. Von Caspar David Friedrich bis Auguste Renoir. Hirmer Verlag, München 2018, € 40.-
Frauen am Berg. Ein Film von Caroline Fink. SRF 1, 18. April 2019, 20.05 Uhr.