Die Spuren der Vergangenheit sichten, am Zäsenberg im Berner Hochgebirge so gut und spannend wie im Emmental. Aufgeschichtete Steine und Erdhügel offenbaren Geheimnisse, wenn richtig gelesen wird.
„Da aber diese ganze Route im Schatten liegt, so ist der Schnee überall schlecht, trocken und mehlig und läßt meist tief einsinken. Erst um 8 Uhr 30 Min. erreichen wir das Hüttchen am Zäsenberg, und hier wird endlich Frühstückspause gemacht. Ein warmer Thee belebt wieder, und über eine Stunde lassen wir’s uns wohl sein in dem Eskimo-Loch.“
Es sich wohl ergehen lassen in einem kühlen Loch – das wär’s doch bei diesen hochsommerlichen Temperaturen! Am Zäsenberg, dieser grünen Insel auf rund 1900 Metern zwischen dem Unteren Grindelwaldgletscher und den Eismeeren des Eigers und des Schreckhorns, dürfte es allerdings auch im Sommer nicht zu heiss werden. Im Winter ist es dort immer eisig kalt, und trotzdem fühlten sich der Zürcher Seidenindustrielle Carl Seelig, sein Kollege Jakob Weber-Imhoof aus Winterthur sowie die Grindwalder Bergführer Christian Jossi und Rudolf Kaufmann am 3. Januar 1890 bestens aufgehoben in der einfachen Hütte aus Trockensteinmauern, die im Sommer jeweils den Hirten diente, die dort ihre Schafe hüteten. Die Vierergruppe stapfte noch weiter zur Berglihütte, wo übernachtet wurde, bevor am andern Tag der Mönch bestiegen wurde, nun bei wirklich kühlen Bedingungen. Nochmals Carl Seelig im Bericht „Winterfahrt auf den Mönch“ aus dem „Jahrbuch des Schweizer Alpenclub“ von 1890: „Endlich punkt 11 Uhr ist das Gipfelplateau erreicht und ‚Hurrah Mönch‘ tönt’s, ‚dich hämm‘ mer!‘ Feierlicher Händedruck und stilvoller Schmollis bei einem Schluck Cognac, dem einzig noch tropfbar Flüssigen.“
Die Zäsenberghütte war also nur eine Zwischenstation auf der frostigen Fahrt auf den Mönch. Auch andere Alpinisten legten dort eine Pause ein, manchmal schlugen sie gar ein richtiges Lager auf, wie der Solothurner Alpenforscher Franz Josef Hugi 1828. Im neuen Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern ist ein fünfseitiger Beitrag zur Gletscheralp Zäsenberg mit ihren Resten von Alpwirtschaft und frühem Alpinismus zu finden. Eine spannende Spurensuche, die einen geradezu herausfordert, selbst einmal diese Insel in den Eismeeren zu besuchen, auch wenn die Gletscher schwinden.
Thematischer Schwerpunkt der Vernissage von „Archäologie Bern/Archéologie bernoise 2018“ im Chüechlihus in Langnau vom Ende Juni war das Referat von Jonas Glanzmann, der aktuelle Ergebnisse zur Burgen- und Verkehrslandschaft im Oberen Emmental vorstellte. In seinem Aufsatz diskutiert er neu entdeckte Burgstellen und Verkehrswege im Oberen Emmental. Von Glanzmann selbst liegen zudem zwei neue Bücher vor. Einerseits die knapp 500-seitige, A4-grosse und üppig bebilderte Publikation „Emmental. Eine Landschaft erzählt Geschichte“. Darin verknüpft der Autor schriftliche Quellen mit den Spuren der Vergangenheit in der Landschaft. „Archäologische, geographische, ortsnamenkundliche und verkehrstechnische Begebenheiten als einzelne Puzzleteilchen, ergeben zusammen ein grosses Bild davon, wie die ersten Emmentaler gelebt und die Landschaft besiedelt haben.“ Insbesondere Burgstellen und Kirchen werden eingehend untersucht und beschrieben.
Passend zu diesem Monumentalwerk erschien Glanzmanns „Das obere Emmental. Wanderungen zu Geschichte und Kultur“. Mit diesem rucksacktauglichen Führer inklusive Karte (auf der Kartenrückseite ist alles Wichtige auch noch drauf) sind wir bestens unterwegs von Zollbrück über Sankt Oswald bis Zwygarten. Die elfte der zwölf Touren, mit sechs Stunden auch die längste, führt auf dem Weg der Mönche von Trachselwald nach Trub. Mönche gibt es eben nicht nur in den Hochalpen… Das Titelbild des Führers zeigt die Berner Alpen, aufgenommen von einem der bewaldeten Emmentaler Höger: links das Finsteraarhorn, rechts die drei Fiescherhörner. Der Nordfuss des Kleinen, das ist der Zäsenberg.
Jahrbuch Archäologie Bern 2018. ISBN 978-3-9524659-5-0, Fr. 56.-
Jonas Glanzmann: Emmental. Eine Landschaft erzählt Geschichte. Landverlag, Langnau 2018, Fr. 80.- www.landverlag.ch; www.historiarum.ch
Jonas Glanzmann: Das obere Emmental. Wanderungen zu Geschichte und Kultur. Landverlag, Langnau 2018, Fr. 30.-
Ich nehme an, Carl Seelig ist der Vater des bekannten Carl Seelig (1894-1962), Förderer und Vormund von Robert Walser.