Mit vier Büchern über das Wandern das Jahr ausklingen lassen. Prost auf ein gutes, neues Jahr!
«Simon Petigar hatte die Abwesenheit seines Schwagers dazu benutzt, um jene beiden Flaschen zu leeren, die sie für das geplante Siegesfest auf dem Gipfel mitgenommen. Des großen Daniels Aufbruch in der Nacht war nämlich so schnell erfolgt, daß er den Schaumwein vergessen hatte. Übrigens konnte er sich damit nicht belasten. Sollte er etwa den Sekt, wie einst am großen Schreckhorn, in den Abgrund schmeißen?»
Um Gottes Willen nicht! Wär doch wirklich schade, den Champagner in den Abgrund zu schmeissen, erst recht jetzt, wo es mit diesem Jahr rasant zu Ende geht. Die Sekt-Szene findet sich in „Der jungfräuliche Gipfel“ von Georg Freiherr von Ompteda, 1927 in der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart erschienen. Der Roman spielt in den Walliser Alpen zwischen dem Val d’Hérens und dem Valpelline. Dass der Name des adeligen Schriftstellers nicht im 17seitigen Namensverzeichnis des Buches „A piedi sotto il cielo. Storia dell’escursionismo dalle origine ai giorni nostri“ auftaucht, sei Lorenzo Bersezio verziehen. Wer kennt den Freiherrn schon, wer liest noch Bergromane wie „Aus großen Höhen“ oder „Die kleine Zinne“? Bersezio seinerseits kennt durchaus deutsche (Wander-)Autoren wie Goethe, Hesse und Humboldt sowie deutsche Vereine wie Eifelverein, Wandervogel und Württembergischer Schwarzwaldverein. Ein breit gefächertes Buch, dieser „Spaziergang unter dem Himmel“ mit seinen 500 Seiten. Aufschlussreich beispielsweise die Ausführungen zum Nordic Walking: Wie diese neue Wandersportart entstanden ist und wie sie sich nach dem 5. Januar 1988, dem offiziellen Startpunkt, durchgesetzt hat. Vielleicht sind wir ja Ende des alten Jahres bzw. am Beginn des neuen ebenfalls froh um zwei Stöcke – Glatteis auf dem Heimweg könnte ja ein Grund sein…
Leichter und schneller lesbar ist das Reclam-Buch „Wandern. 100 Seiten“. Nina Ayerle analysiert die verschiedenen Arten des Gehens: Nomadentum, Pilgern, Flanieren, Spazieren und eigentliches Wandern, befasst sich mit der Liebe und den Ursprüngen des Wanderns, erklärt im Naturkapitel die Begriffe Plogging und Pliking (Müll am Wegrand sammeln beim Joggen bzw. Hiken), gibt Tipps für naturverträgliches Zu-Berg-gehen und fragt sich, ob Wandern etwas typisch Deutsches ist (ist es nicht, denn Wandern ist auch der schweizerische Lieblingssport, noch vor Schwimmen und Schwingen, um bei sommerlichen Aktivitäten zu verweilen). Die Berufswanderautoren Hesse und Rousseau haben selbstverständlich auch ihre Auftritte in diesem schwer rucksacktauglichen Buch.
In den Rucksack passt ebenfalls das Werk des holländischen Schriftstellers Gebrand Bakker: „Die 3 gibt es nicht. Eine wundersame Wanderung.“ Darin beschreibt der Verfasser munter und metergenau, wie er dem Wanderweg 1, der hinter seinem Haus in der Eifel verläuft, folgen will und sich immer verläuft, weil die Markierungen verschwunden sind. Dabei steht in der offiziellen Anleitung: „Ein Wanderweg muss so markiert sein, dass die Strecke immer eindeutig ist.“ Wir alle dürften wissen, dass sich diejenigen, die die Wegzeichen anbringen, nicht immer daran halten (können), ja dass auch die Zeichen selbst einfach verschwinden. Bakker schildert die Schwierigkeiten mit den Schildern, und am Schluss des Buches schafft er den Eifelweg 1 in beiden Richtungen – hoffentlich auch wir, falls wir uns einmal in die Eiffel verirren sollten.
Auf Abwege aller Art gerät Harald Nachförg, der Kolumnist der Outdoor-Zeitschrift „Bergwelten“. Nun ist eine Sammlung der Kolumnen herausgekommen: „Abwärts. Ein Gipfelstürmer auf Abwegen.“ 41 Mal stolpert der Arme über Stock & Stein, in Eis & Schnee, auf Reisen & anderen Abenteuer. Ob er sich in seinen Trekkingstöcken verheddert, auf einer Bank plötzlich Höhenkoller kriegt oder in Schneeschuhen feststeckt und sich ausschaufeln lassen muss: Wenn Nachförg von seinen Bergerlebnissen berichtet, kann man mitlachen und -wandern. Einfach nicht alle Kolumnen aufs Mal lesen, sonst kann man Kopf- und Bauchweh kriegen wie nach einem zu üppigen Sylvestermahl. Den Schampus trinkt der Wiener Gipfelstürmer übrigens nicht auf dem Schneeberg (2076 m) in Niederösterreich und schon gar nicht auf dem Schreckhorn, sondern weit weg, im Lande des Pico Mogotón (2107 m).
Liebe Bärgfründe: Wo und mit welcher Flüssigkeit Ihr auch immer aufs Neue Jahr anstösst, ich wünsche herzhaft Es guets Nöis!
Lorenzo Bersezio: A piedi sotto il cielo. Storia dell’escursionismo dalle origine ai giorni nostri. DeA Planeta Libri, Milano 2022. € 22,00.
Nina Ayerle: Wandern. 100 Seiten. Reclam Verlag, Ditzingen 2022. € 10,00.
Gebrand Bakker: Die 3 gibt es nicht. Eine wundersame Wanderung. Emons Verlag, Köln 2021. € 12,00.
Harald Nachförg: Abwärts. Ein Gipfelstürmer auf Abwegen. Bergwelten Verlag, Salzburg 2022. € 20,00.