Zwei Bildbände, darin höchst unterschiedliche Bauten die Hauptrollen in den Granitlandschaften des Bergells und der Grimsel einnehmen.
«Erneuerung hat auch mit zeitgenössischer Architektur zu tun. Ich meine, dass man viel mehr differenzieren sollte. Es gibt Sachen, die man unbedingt erhalten muss, aber es gibt in historischen Dörfern Situationen, die man verändern können sollte. Wichtig ist, dass das, was an die Stelle des Alten tritt, mindestens ebenso gut, womöglich besser ist. Und dafür besteht keine Garantie. In der Regel wird es schlechter. Das Problem ist, dass das Bauen zur Investition geworden ist. Früher war es eine Notwendigkeit. Sobald Geld ins Spiel kommt, rutscht dir das aus der Hand.»
Sagt der 1954 geborene Bergeller Architekt Armando Ruinelli im Gespräch „Zwischen Erhalten und Gestalten“ mit Gion A. Caminada, Architekt aus Vrin und Professor an der ETH Zürich. Das von Ludmila Seifert moderierte Gespräch über Dorferneuerung, Ortsbildschutz und die Architekten als politische Akteure findet sich in der grossen Monografie „Armando Ruinelli Architetti Architekten“. Wie Caminada ist auch Ruinelli mit seinem Dorf verbunden, mit Soglio, dem berühmten Dorf auf der Sonnenterrasse im Bergell mit Blick auf die unverwechselbaren Granitgipfel gegenüber. Und so gleichzeitig eigenständig und verbunden mit dem Dorf sind die Bauten von Ruinelli. Er wurde eine internationale Autorität im Weiterbauen am Vorhandenen, gerade in den Bergen. Er lehrt, hält Vorträge, sitzt in Jurys und Gestaltungskommissionen. Und er baut. Nicht viel, aber fein.
Das zeigt das von Axel Simon herausgegebene Buch, das mit 137 farbigen und 214 s/w-Abbildungen, feinen Plänen, klaren Texten und einem Werkverzeichnis zu Bauten und Projekten von 1982 bis 2022 aufwartet. Ein auch haptisch überzeugendes Werk, das sofort einen Wunsch aufkommen lässt: auf ins Bergell und nach Soglio, um Ruinellis Bauten vor Ort zu bewundern. Es gibt von ihm allerdings auch ein Anwesen in Dobbin im flachen Mecklenburg-Vorpommern, und am Fuss der Weissen Berge auf Kreta wird eines entstehen.
Doch zurück in die Schweiz, zurück zum Granit, nun zu demjenigen der Grimsel. Der Fotoband von Jürg Stauffer widmet sich dieser Region mit dem so überraschenden wie überwältigenden Mix aus Natur- und Industrielandschaft. „Grimsel – Kontraste“ nennt der Fotograf denn auch seinen Bildband, und ein Kapitel ist perfekt passend mit „Granit Beton“ überschrieben. Letzterer wird zur Zeit heftig verbaut, die neue Spitallamm-Staumauer beim Grimsel Hospiz soll im Herbst 2025 fertig sein. Andere Kapitel leuchten die energetische Welt unter dem Boden aus, befassen sie mit Fels, Wasser und Erde, folgen Wegen, Strassen und Leitungen, immer beeindruckend fotografiert sowie ergänzt mit aktuellen und historischen Texten von Fachleuten. Grund genug, wieder mal zur Grimsel zu reisen. Das machten wir letzte Woche und schwebten mit der neuen Oberaarbahn vom Hospiz über den Grimselsee zum Oberaarsee, von wo wir über die Staumauer Richtung Aarequelle gingen. Nur wandern ist schöner als schöne Bildbände studieren.
Armando Ruinelli, Architetti Architekten, Progetti Bauten 1982–2022. Leggere il tempo. Herausgegeben von Axel Simon. Park Books, Zürich 2023. Fr. 59.-
Jürg Stauffer (Fotos): Grimsel – Kontraste. Mit einem Vorwort von Christine Häsler und Texten von Beat Fischer, Georg Humbel, Jon Mathieu und Jürg Stauffer. Herausgeber Verlag, Riedtwil 2023. Fr. 52.-
Zum Thema auch: Robert Bösch/Emil Zopfi: Grimsel Strom. 75 Jahre Kraftwerke Oberhasli AG, Innertkirchen, 2000.