Wandern und lesen mit de Simoni und de Roulet

Zwei rucksacktaugliche Bücher für unsere Sommerwanderungen. Wir dürfen sie auch in der Badi lesen.

«Dieses Buch ist weder ein Reiseführer noch ein Ratgeber; dieses Buch ist ein Steinbruch. Eine Sammlung aus Gedanken und Erlebnissen anderer. Eine andere Auswahl an Texten mag zu anderen Einsichten führen.»

Und wohl auch zu anderen Wegen, über Grund oder im Grind. Wie auch immer: Das Zitat stammt aus dem rucksacktauglichen Buch „wandern/schreiben. Lektüren zum zeitgemäßen Reisen“ von Christian de Simoni. Darin befasst sich der Wahlheimat-Berner mit diesen Fragen: Warum zu Fuß gehen? Wann un warum begann man zu wandern? Wie beginnen wir heute? Wohin wandern? Was mitnehmen? Was erkennen? Und, nicht ganz nebensächlich: Was lesen? Die Literaturliste enthält einige unbekannte Werke. Zum Beispiel „Extremwandern und Schreiben. Ein kulturhistorischer Streifzug von Goethe bis Hesse“ von Birger Solheim. Ehrlich gesagt: Diese beiden Dichter stellte ich mir bisher nie als Extremwanderer vor. Dann schon eher die heutigen Autoren Franz Hohler und vor allem Sylvain Tesson. Sie fehlen im viereinhalbseitigen Literaturverzeichnis, aber diese Wanderlektüretipps nur nebenbei. Man kann nicht alles lesen, in den Rucksack packen schon gar nicht.

Im Kapitel „Wohin wandern?“ lese ich: „Die Schönheit ist oft in einem Detail, der Reichtum im Innern, in der Erinnerung oder in den Gedanken, in Texten anderer, an die wir beim Wandern denken, über die wir vielleicht nachdenken oder von denen wir spazierend tagträumen. Sehenswürdigkeiten lenken hiervor eher ab. In der Nähe einer Autobahnbrücke befindet sich vielleicht ein kleiner Weiher, auf dem Seerosen blühen. Obwohl man das Geräusch der vorbeirasenden Autos und Lastwagen hört, ist die Stimmung vielleicht gerade im Kontrast zur Hässlichkeit und dem Lärm der Zivilisation idyllisch, und es werden einem die Schönheit der Natur und ihre Fragilität zugleich bewusst.“ Sehr schön gesehen und geschrieben. Ein anderer Schweizer Autor wird diesen Kontrast oft erlebt haben.

Zweimal ist der Genfer Schriftsteller Daniel de Roulet in den letzten Jahren durch die Schweiz gewandert: Zuerst von Genf nach Rorschach, dann von Porrentruy nach Chiasso. 26 plus 32 Halb- und Tagesetappen, die wir dank zwei Karten gut nachvollziehen können. Allerdings nicht die genaue Route – wo der Weitwanderer über die Autobahn gerannt ist, das möchten wir ja nicht nachmachen… Begleitet wurde er von Werken bekannter und vergessener AutorInnen und Persönlichkeiten wie Dürrenmatt und de Saussure, Dunant und von Flüe, Vreneli und Agota Kristof. „Durch die Schweiz“ ist ein Wanderlesebuch, mit dem wir Seite um Seite, Schritt um Schritt in die Geschichte und Gegenwart, Landschaft und Literatur der Schweiz eintauchen. Unweit der Mündung der Ilfis in die Emme kreuzen sich die beiden Wege von de Roulet: „Ich webe ein helvetisches Kreuz, um mich an der Welt festzuhalten.“ Dass ein paar Stolperer zu verzeichnen sind, kann beim Schreiten und Schreiben passieren. So ruhte sich Friedrich Schiller nie am Vierwaldstättersee aus. Goethe hingegen schon. Aber wo war der Johann Wolfgang nicht? Er folgt dem Daniel Richtung Gotthard – mais bien-sûr!

Christian de Simoni: wandern/schreiben. Lektüren zum zeitgemäßen Reisen. Mit einem Nachwort von Katharina Bendixen. edition taberna kritika, Bern 2023. Fr. 18.-

Daniel de Roulet: Durch die Schweiz. Wanderungen durch ein Land und seine Erzählungen. Limmat Verlag, Zürich 2022. Fr. 32.-

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert