L’année prochaine, j’irai à la mer: Das sagt man in Frankreich, wenn der Urlaub im Gebirge wieder mal ins Wasser fiel. Mit einem neuen Bildband findet man Ziele am Meer, ohne auf die Berge verzichten zu müssen.
Globi räkelt sich am Strand.
„Keine Felsen mehr! Nur Sand!
Ich hab’s geschafft!
Es ist vorbei mit der Alpenkraxelei!“
Die erste von fünf Strophen auf der Doppelseite „Der Wellenbergsteiger“ im Band „Globis Alpenreise“ von 2006. Gefunden in meiner dicken Materialsammlung mit Zitaten, Buchhinweisen, Illustrationen etc. zum Thema „Berg & Meer“. Zwei weitere Kostproben mit Vergleichen, einmal vom Land aus, das andere Mal vom Wasser, immer mit Türmen aus gefrorenem Wasser, wie im Ischmeer ob Grindelwald und Mer de Glace ob Chamonix.
«Das Eismeer. – Warum Meer? Das alles hat mit einem Meer nicht gemein. Das Meer ist schön, immer, auch im Sturm. Im Wellenschlag liegt Harmonie. […] Das aber gleicht einem ungeheuren Hexenkessel. Das ist ein sinnloses Durcheinander, ein ungeheurer Trümmerhaufen, überwältigend durch seine Größe und unbegreifliche Wildheit. Wahllos liegen die riesenhaften Eismassen übereinander, Stücke, größer als Kirchen.»
Karl Friedrich Kurz und Othmar Gurtner: Zwischen Aare und Rhone. Pochon-Jent & Bühler, Bern 1920.
«Eine Nacht in strömendem Regen, nachdem wir in der Nähe des Archipels Fernando de Noronha den Äquator passiert haben. Ganz alleine geniessen wir am Bug das Spektakel der riesigen Wellen. Das Schiff versinkt bis zum Anker darin, sogar der Name ‚Océania’ wird überflutet! Was für Farben! Wir denken an Gletscher, an Séracs.»
Tagebuch der Anden – Dorly und Frédéric Marmillod 1938-1959, AS Verlag, Zürich 2016.
Der Bildband „Gigantisch – Wo Meer und Berge sich berühren“ zeigt mit kurzen Texten und prallen Farbfotos solche Orte, 55 in Europa und 65 auf der restlichen Welt. Vom schwarzen Strand Reynisfjara auf Island bis zur weissen Antarktischen Halbinsel, von den oft grünen Färöer-Inseln bis zum gelb leuchtenden Pan de Azúcar im gleichnamigen Nationalpark in Chile, von den bläulich schimmernden Felsenbögen der Playa de las Catedrales in Galicien bis zu den roten Kliffs der Insel Hormus in Iran. Wer durch den Bildband reist, wird viele schöne, lohnende Reiseziele finden; sie müssen ja nicht grad am andern Ende der Welt liegen. Zu den Cinque Terre oder den Calanques kommt man locker mit der Bahn hin, und auch die Seven Sisters, diese wellenförmigen Kreidefelsen an Englands Südküste, liegen nicht ausser Reichweite.
Natürlich ist eine Auswahl immer eine solche. Aber es wurden doch einige malerische und touristisch interessante Orte ausgewählt, wo sich die Berge kaum zeigen, wie beim Parque nacional Marino Ballena in Costa Rica. Andererseits vermisse ich die Cliffs of Moher in Irland, das Cape Canaille in Frankreich oder Marettimo in den Ägadischen Inseln westlich von Sizilien, ein knapp 700 Meter hohes Gebirge im Mittelmeer mit einer Verflachung an seiner Ostküste, wo es grad Platz für ein paar weiss gestrichene Häuserkuben hat. Mehr Meer am Berg geht kaum, wenn man in der Abendsonne über den schmalen Felspfad zum kleinen Gipfelkreuz der Punta Basana (184 m), der Südostspitze der Insel, balanciert. Im südlichen Atlantischen Ozean erheben sich zwei ganz besondere und ganz abgelegene Inseln: Tristan da Cunha mit dem 2060 Meter hohen Queen Mary’s Peak und vor allem Bouvet Island mit dem 780 Meter hohen Olaftoppen hätten sich die Bezeichnung „gigantisch“ allemal verdient. Und noch eine kritische Anmerkung: Bei den eingefügten Reisetipps gibt es auch solche zum Tauchen, aber keine zum Klettern. Dabei ist Deep Water Soloing die Sportart, die Meer und Berge vielleicht am idealsten verbindet – Free Solo über tiefem Wasser, das bei einem Sturz die Kletternden auffängt.
Wenn wir schon beim Küstenklettern sind. Im Transa-Buchshop in Bern entdeckte ich den Bildband „The Great Seacliffs of Scotland“ – gigantisch, dieses Titelbild, die perfekte Inszenierung von „Berg & Meer“.
Ein aktueller Hinweis zum Thema: Der höchste Schweizer, Nationalratspräsident Martin Candinas, wurde Anfang Juli 2023 zum Ehren-Leuchtturmwärter 2023/2024 des Leuchtturms Rheinquelle auf dem Oberalppass gewählt. Am Sonntag, 23. Juli, findet die Einsetzung stand. Nach einer gemeinsamen Wanderung vom Oberalppass zur Rheinquelle (Tomasee) beginnt der Festakt um 15 Uhr beim Leuchtturm Rheinquelle mit einer Laudatio und der Übergabe der Insignien an Martin Candinas. Weitere Infos und Anmeldung bei hanno.wyss@gmail.com.
Mit einem Schweizer Gedicht startete diese Buchvorstellung. Mit einem zweiten soll sie enden. Es stammt von Beat Brechbühl aus dem Zyklus „Schweizer Postkarten“ im Gedichtband „Auf der Suche nach den Enden des Regenbogens“ (Diogenes Verlag, Zürich 1970); Titel „Binnenland“:
Die Träume vom Meer
blasen sich hier auf.
Die Berge werden allmählich kleiner;
bis 50 cm pro Jahr.
Bald sehen wir über sie hinweg
aufs Meer.
Gigantisch – Wo Meer und Berg sich berühren. Kunth Verlag, München 2023. € 45,00.
The Great Sea Cliffs of Scotland. Compiled by Guy Robertson. Scottish Mountaineering Press 2020. £ 30.00.