Extremklassiker neu aufgelegt

Zwei neue klassische Bildbandführer zum extremen Klettern sind in Neuauflagen mit zusätzlichen Anstiegen herausgekommen. Das gibt viel zu tun, für diejenigen die so gut klettern. Die andern freuen sich an den kurzen Texten und vielen Fotos. Und träumen vielleicht davon, mal so gut klettern zu können.

«Damals war vieles anders. Meine ersten Kletterschuhe etwa, Anfang der 1970er Jahre, waren ein Paar Bergstiefel mit dem Volumen heutiger Tourenskistiefel und dem Gewicht eines Schraubstocks. Dazu ein dünner Brustgurt, ein dickes Bavaria-Multisturz-Seil und Hermann Hubers „Bergsteigen heute“. Ein feuerroter Helm folgte, eine Trittleiter mit fünf Sprossen und bald schon mein zweites Bergsteigerbuch: „Im extremen Fels“. Ein paar Jahre lang führten mich seine 212 Seiten durch die Alpen und das Leben.»

So leitet Achim Pasold, Gründer und Verleger des Panico-Alpinverlages, das Editorial der vierten Auflage des Extremklassikers „Im extremen Fels. 100 legendäre Kletterführen in den Alpen“ ein. Der Bildbandführer von Walter Pause mit den schwarzweissen Fotos von Jürgen Winkler erschien erstmals 1970, dann nochmals 1977 – und war Bibel, Leitfaden, Projekt für alle Kletterer und Alpinisten, die es wirklich drauf hatten oder haben wollten. Die 100 extremen Pause-Touren musste man doch gemacht haben, oder wenigstens ein paar von ihnen. Der Panico Alpinverlag gab 2015 den Klassiker neu heraus, mit  neuem Text von Christoph Klein, deutscher Extrembergsteiger, katholischer Theologe, Filmemacher und Journalist mit Wohnsitz in der Ostschweiz. Am 19. Dezember 2022 stürzte er beim Abstieg vom Col Standhardt in Patagonien ab. Eine vierte Auflage war schon beschlossene Sache. Nun liegt sich vor, sozusagen als sein Vermächtnis, und erweitert um den 80-seitigen Extraband „Im extremen Fels +. Noch mehr Routen, Eindrücke und Hintergründe“. Mit neuen Routen bzw. solchen, die aus der dritten Auflage rausgefallen sind. Und mit vielen Farbfotos und Topos. Wie viele Routen nun der Kanon der extremen „Pause-Touren“ umfasst, ist schwierig festzustellen. Sicher ist, dass es im Gebirge keinen Legendenschutz gibt. So fiel der Bonatti-Pfeiler am Petit Dru, die Livanos-Verschneidung an der Cima Su Alto oder die Couzy-Desmaison in der Nordwestwand des Olan Felsstürzen zum Opfer. Doch „die Mutter aller Extremklettereien“ (Christoph Klein), die Comici in der 500 Meter hohen Nordwand der Grossen Zinne (2999 m) in den Dolomiten, sie wartet seit der ersten Durchsteigung durch Emilio Comici, Giovanni und Angelo Dimai am 12. bis 14. August 1933 bis heute auf Kletterer aus der ganzen Welt.

„La voie est une grande classique, appréciée à juste titre par les grimpeurs du monde entier. Si la gravir n’est plus exceptionnel, être seul dans la paroi tient réellement l’exploit!“ Urteilt das französische Extrem-Kletterpaar Stéphanie Bodet und Arnaud Petit in „Nouvelles parois de légende“. Umso erstaunlicher, dass die Comici in der ersten Ausgabe ihres Führers von 2011 fehlte, wie ein paar andere legendäre Routen in den Dolomiten ebenfalls. Diese Lücken sind gefüllt, die neue Auflage glänzt mit 90 zusätzlichen Führen. Zum Beispiel mit einigen vom Cap Canaille, der höchsten Klippe von Frankreich unweit des Mittelmeerstädtchens Cassis. Auf dem Cover klettert Stéphanie mit rotem Helm, gesichert von ihrem Mann, über den ockerfarbigen Fels in den blauen Himmel. Ein Versprechen, eine Versuchung. Wenn man/frau es drauf bzw. die richtigen Schuhe an hat.

Christoph Klein, Jürgen Winkler: Im extremen Fels. 100 legendäre Kletterführen in den Alpen. Tobias Bailer, Daniel Mohler, Achim Pasold: Im extremen Fels +. Noch mehr Routen, Eindrücke und Hintergründe. Zusammen gepackt in Schuber. Panico Alpinverlag, Köngen 2023. € 48,00.

Arnaud Petit & Stéphanie Bodet: Nouvelles parois de légende. Éditions Glénat, Grenoble 2023. € 30,00.  

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