Der Kalte Krieg ist Geschichte, aber noch immer werden Kalte Kriege gefochten. Zum Beispiel in den Eishöllen des winterlichen Patagonien oder des Montblanc. Von Typen wie Andy Kirkpatrick, Frontreporter Nummer 1 des aktuellen Extremkletterns. Ein Phänomen in jeder Beziehung: Einst Legastheniker und Ghettoboy, der seine Leidenschaft und sein Leiden zwischen Wand und Familie literarisch meisterhaft gestalten kann. Die Übersetzung des preisgekrönten Werks besorgte wie schon bei Kirkpatricks Erstling «Psychovertikal» ein ebenso phänomenaler Extremkletterer und Autor: Robert Steiner.
„‚Sei vorsichtig, Dad‘, sagte Ella an der Tür.“
Das wollen wir doch sein in diesem neuen Jahr. Jetzt, wo die Welt nicht untergegangen ist. Noch nicht. Aber lassen wir das. Deshalb: auf in ein neues Bergbücherjahr! Zum fünften Mal in Folge. Wieder soll das „Buch der Woche“ eine anregende Mischung von Schwindel erregend und Atem beraubend sein, von alt und neu, hoch und tief, gut und weniger gut.
Den Auftakt macht wie beim Start im Januar 2009 der englische Alpinist und Schriftsteller Andy Kirkpatrick. Vor ein paar Wochen nur, am 16. November 2012, erhielt er zum zweiten Mal den Boardman Tasker Prize for mountain literature, die höchste Auszeichnung in der Sparte Bergliteratur. Und zwar für „Cold Wars – Climbing the fine line between risk and reality“, sein zweites autobiografisches Buch. Es beschreibt epische Winterklettereien in den Alpen und Patagonien – und gleichzeitig das Leben als Ehemann und Vater zweier kleiner Kinder. Und so lautet die Begründung der Jury: “Andy’s effortless narrative takes the reader into parallel worlds of parenthood and extreme climbing with the reader emerging unsure which is the scariest or more demanding. He is acutely observant of people: his peerless portrayal of the leading characters only matched by his depiction of alpinism at the highest level. There are lighter moments of course, this is Andy Kirkpatrick after all, and his mastery of irony and self deprecation shines through with satisfying regularity.“
Den schier unmöglichen Spagat zwischen Fels- und Wohnwand machte Kirkpatrick auf sprachlich brillante Art bereits in seinem Erstling «Psychovertikal», der 2008 ebenfalls den Boardman-Tasker-Preis gewann. Der 1971 geborene Autor versteht es meisterlich, den Abgrund zwischen Bergleidenschaft und Alltagsgelüsten und –pflichten auszuloten. Diesmal noch ein paar Fuss tiefer, gerade auch, weil Ella und Ewen zu Hause warten (ihnen ist das Buch gewidmet), wenn der Dad in die Berge muss. Wohin es ihn jeweils verschlägt – oder eben auch nicht, ist zu erfahren auf: www.andy-kirkpatrick.com/blog.
Andy Kirkpatrick: Kalte Kriege. Der schmale Grat zwischen Risiko und Realität. AS Verlag, Zürich 2012. Fr. 39.80.